2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
wieder in die Tragfähigkeit des Planeten passt. Sie würde auch politisch machbar sein, da das pro Kopf verfügbare Einkommen wachsen würde, während der Gesamtkuchen zusammenschrumpft.
Ich fürchte jedoch, dass grocline zu spät kommen wird. Bevor das Schrumpfen einsetzt, wird die Menschheit durch ihre Energieproduktion und -nutzung so viel Treibhausgase freigesetzt haben, dass der Planet im letzten Drittel des 21. Jahrhunderts auf einen unkontrollierten Klimawandel zusteuert.
Wachstum im Schrumpfen (»grocline«) – ein Vorteil
des Bevölkerungsrückgangs
In den Jahrzehnten, die sich an meinen Prognosezeitraum anschließen, nach 2052, wird der durchschnittliche Konsum pro Kopf wieder zunehmen. Nicht aufgrund eines wachsenden Gesamtkonsums, sondern weil die globale Bevölkerung im Schrumpfen begriffen ist. Selbst wenn also die Menschheit es zu diesem Zeitpunkt lediglich schafft, den Gesamtkonsum auf einem stabilen Niveau zu halten, wird die für jeden Einzelnen verfügbare Menge an Gütern und Dienstleistungen größer. Die Situation wird derjenigen Japans in den 1990er- und 2000er-Jahren ähneln, allerdings noch stärker ausgeprägt sein: stagnierende Wirtschaft, schrumpfende Bevölkerung und steigendes Pro-Kopf-Einkommen. Sehr zu ihrer eigenen Überraschung wird die Welt feststellen, dass langsames Wachstum des Gesamtkonsums längst nicht mehr so viel Not und Spannungen erzeugt wie in den vergangenen Jahrzehnten. Denn wenn die Bevölkerung kleiner wird, gibt es mehr für jeden Einzelnen.
Damit will ich allerdings nicht sagen, dass diese Epoche sinkenden BIPs und sinkender Bevölkerung nicht ihre eigenen Probleme aufweisen wird. Nach 2060 wird die Zunahme des Pro-Kopf-Verbrauchs in einer Welt stattfinden, die durch den Klimawandel schwer beschädigt ist und in der die noch vorhandene biologische Vielfalt in geschützten Ecken der Welt zusammengepfercht ist. Und es werden Spannungen aus den regionalen Unterschieden entstehen – einige Staaten leben in relativem Luxus, andere in tiefer Armut.
Später – im letzten Drittel des 21. Jahrhunderts – wird die Weltwirtschaft dann nach meiner Einschätzung in eine Ära eingetreten sein, in der die Kombination von Wachstum auf der individuellen und Schrumpfen auf der gesellschaftlichen Ebene die Regel ist. Der Pro-Kopf-Verbrauch wird Jahr um Jahr größer werden, genau wie in den guten alten Zeiten. Und gleichzeitig wird die Gesamtwirtschaft – das BIP – fortwährend kleiner. Dieses Phänomen könnte man als »Wachstum im Schrumpfen« (grocline) bezeichnen – gleichzeitiges Wachsen und Schrumpfen. In einer von grocline geprägten Welt verbessert sich die Situation des Einzelnen, während der Gesamtkuchen kleiner wird. Es ist gleichzeitig gut und schlecht – Jahrzehnt um Jahrzehnt.
Für unser an Wachstum gewohntes Denken ist dies verwirrend. Ein einfaches Rechenbeispiel soll deshalb erklären, wie man sich grocline vorstellen kann. Nehmen wir an, eine Bevölkerung schrumpft um
1,5 Prozent pro Jahr und die Erwerbsbevölkerung nimmt mit derselben Rate ab. Nehmen wir außerdem an, dass die Arbeitsproduktivität um ein Prozent pro Jahr steigt. Dies könnte auf lange Sicht etwa durch immer feinere Steuerung der postindustriellen Volkswirtschaft erreicht werden – zum Beispiel indem durch den Einsatz von Robotern ein höheres Niveau an Dienstleistung und Pflege mit einer Stunde menschlicher Arbeit erbracht werden kann.
Im Ergebnis würde die Gesamtproduktion jedes Jahr um ein halbes Prozent sinken . 23 Das BIP wäre jedes Jahr um einen halben Prozentpunkt kleiner. Aber die Produktion pro Kopf würde dennoch jährlich um ein Prozent wachsen, da dies die Wachstumsrate der Produktivität ist. Jeder Einzelne würde Jahr um Jahr wohlhabender, trotz des fortschreitenden Schrumpfens der Gesamtwirtschaft.
KAPITEL 5 Energie und CO2 bis 2052
Z wei weitere wichtige Einflussgrößen auf meine globale Prognose sind der Energieverbrauch und die CO 2 -Werte. Geschätzte 87 Prozent des weltweiten Energiebedarfs werden heute durch die drei fossilen Energieträger abgedeckt: Kohle, Öl und Gas. Sie stellen die günstigsten Quellen für Strom, Heizwärme und Kraftstoffe dar. Der Rest der benötigten Energie wird zu fünf Prozent durch Nuklearenergie und zu acht Prozent durch erneuerbare Energien abgedeckt. 1 Zu den erneuerbaren Energien zählen Biomasse (Hauptquelle für Heizenergie in Entwicklungsländern), Wasserkraft (Hauptquelle für Strom in der Nähe von Flüssen) und
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