2057 - Keifan, der Druide
unendlich verzweifelt an, dass mir fast der Atem wegblieb. Ich wollte etwas erwidern, aber die Frau ließ meine Füße nicht los. „Wenn Meinuff stirbt, dann will auch ich nicht mehr leben!" schrie sie außer Fassung, „Töte mich gleich hier, Druide! Meinuff ist mein ein und alles. Er darf nicht sterben!" Tränen flossen über ihr warziges Gesicht, und jetzt fiel mir auch Orkisme noch in den Rücken.
Er sagte: „Lass es auf einen Versuch ankommen, Keifan. Wann hast du dich das letztemal an einem Kranken versucht?"
„Ja, Druide, versuche es!" weinte die Mutter. Und da konnte ich plötzlich nicht mehr anders. Ich sah mich in die Enge gedrängt, bildete ich mir ein. In Wirklichkeit leuchteten Orkismes Worte mir ein. Wann hatte ich es zuletzt versucht? Auch wenn kein Sinn darin zu liegen schien, ich willigte ein. Das grobschlächtige Wesen vor mir sprang auf und nahm meine Hand. Es zog mich mit sich auf ein Gleitband zu das hier begann. Das Band brachte' uns schneller und bequemer als zu Fuß in die Stadt, wo wir es vor einem Wohnturm verließen. Ein Aufzug brachte uns zu einer Wohnung, die das Wesen mit einem Impulsschlüssel öffnete.
Dann standen wir vor einem großen Bett, in dem Meinuff lag und permanent schrie. Seine runzlige, warzige Haut war an vielen Stellen aufgeplatzt und blutete. Seine Mutter holte nasse Tücher und wusch ihn ab. Aber das schien ihm keine Linderung zu bringen, im Gegenteil. „Bitte, Druide, heile ihn!" sagte die Mutter. Erschüttert ließ ich mich auf der Bettkante nieder. Der junge Meinuff sah mich an, und plötzlich hörte er auf zu schreien. „Du musst, ganz ruhig sein", sagte ich mit warmer Stimme. „Ich werde versuchen, dir zu helfen. Keine Angst, es tut nicht weh." Ich erinnerte mich an alles, was meine Eltern mir beizubringen versucht hatten. Ich beugte mich über das Kind und hielt seinen Kopf. Dann saugte ich mich mit meinem Rüssel an seiner Stirn fest. Ich gab dem Kind meinen Kuss.
Zuerst war da gar nichts. Ich fühlte nichts und war nach einer oder zwei Minuten schon bereit, das Experiment abzubrechen. Aber dann ohne dass ich etwas dazu tun musste, konnte ich mit einemmal das Leid des sterbenden Kindes spüren. Ich musste nichts dazu tun, es war einfach so. Hinterher fragte ich mich, ob ich mich auf der Suche nach meiner Begabung nicht einfach immer nur verkrampft hatte. Es war jedenfalls eine zutiefst aufrüttelnde, neue Erfahrung für mich. Nie zuvor hatte ich ein Gefühl gehabt, das diesem hier gleichkam.
In meiner euphorischen Stimmung tauchte ich in den fremdartigen Metabolismus des Kindes vor. Es war, als sei ein Blinder und Tauber plötzlich geheilt worden, um selbst heilen zu können. Ich nahm Kontakt auf mit dem Zentralnervensystem, und endlich sah ich die Krankheit vor mir, ihren Auslöser und das, was sie im Körper des bedauernswerten Wesens angerichtet hatte. Sie war tatsächlich so heimtückisch, dass kein Medikament dagegen ankommen konnte. Ich sah, warum dieses Kind sterben musste. Ja, ich konnte es wahrhaftig sehen. Und ich begriff instinktiv, wie ich mit meinem Kuss dagegen vorgehen konnte. Drei Tage und drei Nächte kämpfte ich um Meinuffs Leben, ohne Geschick und ohne eine einzige vorbereitende Übung und dann war es vollbracht! Ich hatte das Kind geheilt, das Wissen dazu war aus mir selbst gekommen, die lange verschüttete Gabe - jetzt war sie ausgebrochen und da. Es war einer der glücklichsten Momente in meinem Leben. Ich war sicherlich nicht so gut und geschickt wie meine Artgenossen, aber ich wusste nun, wie es war, Leben zu retten. Aber würde es mir auch ein weiteres Mal gelingen?
4.
In der Northside
(Jahr 1282 NGZ)
Orkisme und ich, wir wanderten weiter. Die größte Last, die mich in meinem Leben je bedrückt hatte, war von mir abgefallen. Jetzt begann meine eigentliche Wanderschaft. Auf Stuurmond hatte ich meinen Durchbruch als Druide erlebt, so hoffte ich jedenfalls. Jetzt gehörte ich wirklich zu ihnen. Schade war nur, dass ich meinen Eltern nicht von meinem Erfolg berichten konnte.
Auf neuen Welten wurden weitere Heilungsgesuche an mich herangetragen. Ich hatte Muße genug, meine erwachten Fähigkeiten auf die Probe zu stellen, nicht immer mit durchschlagendem Erfolg, aber mit wachsender Sicherheit. Auf einer Handelswelt traf ich auf den Karriolenden Clan der Seelenquell, und einer jener Seelenquell bat mich, seinen schwer erkrankten Silberträger zu heilen. Ich löste diese Aufgabe nur unter Mühen, aber ich schaffte
Weitere Kostenlose Bücher