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206 - Unterirdisch

206 - Unterirdisch

Titel: 206 - Unterirdisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn und Jo Zybell
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Er fühlte sich damals geschmeichelt. Schließlich war sie zehn Sommer älter als er und eine Führerin der Enkaari. Eine kluge und starke Frau, in deren Nähe er immer ein wenig den Kopf einzog. Spenza bewunderte sie. Er schätzte ihren Ratschlag und liebte die Art, wie sie redete.
    Ja, er mochte Carah, aber er begehrte seit langem die jüngere Barah.
    Barah – die schönste Frau Nyarobys! Wenn sie lachte, ging die Sonne auf. Ihre Augen leuchteten wie junges Moos auf den Steinen alter Ruinen. Grübchen umspielten ihre vollen Lippen, und ihre Haut glänzte wie feuchtes Mahagoni. Ihre Brüste glichen prallen Mangos. Wenn sie sich bewegte, erinnerte sie Spenza an einen jungen Flussdelfiin.
    Barah! Wo sie jetzt wohl war? Ging es ihr gut? Gestern erst hatte sie ihm endlich Hoffnung gemacht. »Ich werde morgen vor Sonnenaufgang einige Pavan-Affen für dich jagen«, hatte sie gesagt. »Sie werden den größten Mochokida anlocken, den du je gefangen hast! Ich will, dass du mir sein Herz zubereitest, in der nächsten Vollmondnacht!«
    Vermutlich hatte das Beben ihr Vorhaben vereitelt. Aber Spenza würde ihr auch ohne Pavan-Affen den größten Fisch fangen, den der Athi zu bieten hatte. Der Gedanke daran legte ein breites Grinsen in das kantige Gesicht des Woormführers.
    Seine bernsteinfarbenen Augen leuchteten, und er straffte seinen nackten Oberkörper, der an Rücken und Brust mit wellenförmigen blauen Linien tätowiert war.
    Vielleicht war Barah schon aus dem Dschungel zurückgekehrt! Plötzlich hatte Spenza es sehr eilig, den Maelwoorm zu den Sandbänken zu bringen. Seine nackten Füße klopften einen schnellen Rhythmus auf die kalte Haut des Tieres.
    Der Woorm gab ein Grunzen von sich. Missmutig stieß er seine Stummelflossen in den Boden und beschleunigte sein Tempo.
    Spenza johlte vergnügt. Er ließ seine Muskeln spielen und warf den Kopf zurück. Seine langen schwarzen Locken fielen ihm in den Nacken, als der Woorm durch eine Schneise zwischen den Papyrusstauden die Uferböschung hinunter rutschte. Auf den Sandbänken angekommen, befreite er sein Reittier von den Zügeln und dem Stehsattel. Spenza schaute sich um: Vermutlich hatten sich die anderen Maelwoorms bereits eingegraben.
    Das Licht der untergehenden Sonne tauchte Strand und Fluss in leuchtendes Orange. Weit drüben am anderen Ufer sah Spenza ein Rudel Gnus am Wasser. Croocs lagen schläfrig im Sand und einige Marabus hockten mit eingezogenen Köpfen auf Riesenfindlingen, die hier überall aus dem Wasser ragten.
    In der Mitte des Athis peitschten die Wellen in kleinen Wirbeln um die Steine. Es war, als ob sie noch einmal verweilen wollten, bevor sie in die Stromschnellen tosten, die einen Speerwurf weiter einen Seitenarm des Athis nach Süden führten.
    Während Spenza überlegte, ob er noch ein Bad nehmen sollte, bevor er in die Stadt zurückkehrte, glaubte er fernes Rufen zu hören. Es kam vom Oberlauf des Athi, dort wo die Boote der Enkaari lagen. Der Woormführer ging dem Rufen nach. Schon bald hörte er deutliche Stimmen. »Paddelt zu den Steinen!« – »Jemand muss ihnen helfen!« – »Hilfe! So hilf doch jemand!«
    Spenza rannte los. Durch warmen Sand, über flache Steine und seichtes Wasser jagte er. Wer bei allen Geistern des Urwalds war um diese Zeit auf dem Athi? Es war die Stunde der Tränke der wilden Tiere! Der Fluss wimmelte von Nilrossen! Selbst erfahrene Fischer mieden ihn, bis die Sonne vollständig untergegangen war. Außerdem hatte das Beben die Verankerungen der Boote gelöst. Sie trieben wahrscheinlich längst hinter den Stromschnellen und sollten morgen geborgen werden.
    Der Woormführer irrte: Einige der Boote hatten sich in der Mitte des Flusses in einem Gestrüpp aus Ästen und Buschwerk verfangen, das zwischen den Felsen hängen geblieben war.
    Hinter der nächsten Uferbiegung sah Spenza Kinder in einem der Boote. Es waren drei. Vielleicht hatten sie sich im Chaos des Bebens in dem Boot versteckt. Vielleicht waren sie auch zu dem Kahn geschwommen, um ihn ans Ufer zu bringen.
    Was auch immer geschehen war, jetzt saßen sie in den Fluten fest. Hilflos starrten sie hinüber zum Ufer. Dort rangen eine Handvoll alter Frauen die Hände und riefen ihnen Anweisungen zu. »Paddelt hierher! Ihr müsst paddeln!«
    Womit sollten sie paddeln? So weit Spenza sah, waren keine Ruder in dem kleinen Kahn. Die anprallenden Wellen zerrten an dem Boot. Es konnte sich jeden Moment lösen. Vermutlich würde es seine Fracht in die Stromschnellen

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