206 - Unterirdisch
Schock stehenden Männer am Akazienstamm. Der dritte war massig, fast unförmig, und von einem Pelz bedeckt, dessen Schwarz am Hals und am Rücken in silbriges Weiß überging.
»Verletzte?«, fragte Rulfan heiser.
»Die vier dort?« Er schüttelte den Kopf. »Die sind nicht verletzt, die sind tot.«
Kein weiterer Erdstoß folgte. Die drei Männer am Baum hörten nicht auf zu zittern und die Lippen zu bewegen. Rulfan ging zu ihnen und gab ihnen Wasser. Er redete beruhigend auf sie ein. Abwechselnd benutzte er altes Community-Englisch, Doyzländisch und die Sprache der Wandernden Völker von Euree. Die wilden Männer sahen ihn mit einer Mischung aus Scheu und Dankbarkeit an, antworteten aber nicht.
»Ein Erdbeben«, wandte Rulfan sich an seinen Gefährten.
»Oder was meinst du?«
»Vermutlich. Vielleicht auch ein Vulkanausbruch.«
»Ich tippe eher auf ein Beben. Wie weit entfernt wohl sein Epizentrum lag?«
»Schwer zu sagen.« Matt untersuchte die reglos im Unterholz liegenden Körper. Rulfan hatte Recht: In allen vieren war kein Leben mehr. »Scheint ein starkes Beben gewesen zu sein. Das kann Hunderte von Kilometern entfernt passiert sein.«
Den drei Gefährten der Männer unter dem Baum hatten die Gorillamutanten vermutlich sämtliche Knochen gebrochen; ganz gewiss aber das Genick.
Der vierte war ein Gorillamutant. Verglichen mit den anderen, die Matt und Rulfan beobachtet hatten, erschien er relativ klein; nur wenig größer als die schwarzen Männer, dafür aber erheblich massiger. Matt drehte ihn auf den Rücken. Sein Gesicht mit der stumpfen, breiten Schnauze sah aus wie schwarzes Knautschleder. Auch seine Hände und Füße wirkten ledrig und faltig – beides hatte man ihm gefesselt. Seine Kehle und sein Brustkorb waren geöffnet.
Das Licht der Stablampe brach sich in Unmengen schwarzroten Blutes, nicht nur in den beiden klaffenden Wunden, sondern auch rings um die Leiche im Unterholz.
Erschrocken wich Matt einen Schritt zurück.
Rulfan trat neben ihn. Schweigend betrachteten die Freunde die grausig zugerichtete Leiche des Tieres. Sie sahen einander an, und jeder wusste auch ohne Worte, was der andere dachte.
Bis zu diesem Augenblick schien die Situation eine einfache, in dieser Wildnis alltägliche gewesen zu sein: Räuberische Bestien hatten ein paar Menschen überfallen, und die hatten sich ihrer Haut gewehrt. Nicht besonders erfolgreich, wie die drei toten Männer bewiesen.
Rulfan und Matt blickten sich nach dem Trio unter der Akazie um. Die Männer hatten einander losgelassen und aufgehört zu zittern. Unsicher erwiderten sie die Blicke der beiden Weißen. Sie zogen die Beine an, weil Chira schnüffelnd an ihnen vorbei strich.
»Was um alles in der Welt ist hier geschehen?«, sagte Matt murmelnd und wie zu sich selbst.
»Sie haben einen von ihnen entführt«, sagte Rulfan. »Und unter diesen Kolossen war mindestens ein Mensch.«
»Was sagst du da?« Ungläubig sah Matt Drax den Gefährten an.
»Ich habe beim Zweikampf nackte Haut gespürt.« Rulfan deutete auf die Kratzwunden in seinem Gesicht und auf seinem Handrücken. Die blutigen Striemen waren gut zwei Millimeter tief und bluteten stark. »Ein Gorilla hätte mir den Hals gebrochen, statt mich zu kratzen. Sie hat verdammt hart zugetreten.«
»Sie?«, echote Matt.
»Es war eine Frau.«
»Sie lebt bei ihnen.« Einer der drei Männer unter dem Baum schaltete sich in das Gespräch ein. »Und sie ist nicht die Einzige.« Er sprach ein knotiges, hartes Englisch. »Jetzt haben sie meinen Sohn geraubt…« Der Mann senkte den Blick, verbarg sein Gesicht in den Händen und begann zu schluchzen.
Dabei wiegte er den Oberkörper hin und her.
Matt und Rulfan staunten das Trio an. Niemals hätten sie erwartet, sich mit diesen Leuten verständigen zu können. Sie gingen zu ihnen. »Von wem redet ihr da?«, sprach Rulfan sie an. »Wer sind sie?«
»Wir nennen sie Zilverbaks«, sagte einer der Männer. »Bei anderen heißen sie Nebelmenschen.«
»Nebelmenschen?« Matt runzelte die Stirn.
»In den Bergwäldern, in denen sie leben, gibt es viel Nebel«, sagte ein anderer der Männer.
»Und wo liegen diese nebligen Bergwälder?«, wollte Rulfan wissen.
Sie deuteten hinter sich. »Weit von hier«, schluchzte der Weinende. »Am Südwestufer des Victoriasees.«
»Und was haben diese Nebelmenschen dann hier zu suchen?«, fragte Matt Drax. All drei senkten die Köpfe und schwiegen betreten.
***
»Verflucht noch mal! Das darf doch alles nicht
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