2069 - Die Ritter von Dommrath
er gehofft hatte. Die Zweifel stellten sich wieder ein. Es ist zu einfach, dachte er.
Wir haben mit allen möglichen Schwierigkeiten gerechnet, doch wir sind einfach so hier hineinmarschiert und haben sofort gefunden, was wir suchten. Es ist zu einfach! Die Aggregate waren riesengroß. Größer als manche Häuser auf Kimb. Zyn kannte sie vom Aussehen her, auch wenn ihr Innenleben ihm ein Rätsel mit sieben Siegeln war. Sie hatten es geschafft!
Ohne sich umzudrehen, wusste er mit einemmal, dass Ayre hinter ihm stand. „Wir haben es geschafft", sagte sie. Er nickte nur. „Du wirst die Mutter meiner Kinder sein." Und er konnte sich nicht satt sehen an den über einhundert riesigen Geräten, die die Verheißung auf eine Zukunft in sich bargen.
Geräte, die in Kohagen-Pasmereix bislang nur die Chhatt hatten herstellen können. Einhundert riesige Temporalgeneratoren.
„Wir geben die Initiative aus der Hand", sagte Ayre Alona'de. „Wir hoffen auf Hilfe von Fremden, uns unbegreiflichen Wesenheiten, die vielleicht niemals kommen wird. Läge das Kimb-System nicht im Halo von Kohagen-Pasmereix, wäre unsere Heimat schon längst untergegangen... wie die der meisten Völker, die unsere Galaxis einst besiedelt haben." Ayre unterstrich ihre Worte mit energischen Gesten. Sie war so schlank wie eh und je. Es hatte sich nichts zwischen ihnen geändert, sie war zärtlich, leidenschaftlich und fordernd, doch sie wurde nicht schwanger. Lag es an den Konventionen? In einer Gesellschaft, deren Angehörige bis zu zwanzigtausend Jahre alt wurden, war es ungewöhnlich, fast schon verpönt, Nachwuchs in die Welt zu setzen, bevor man nicht bereits mindestens ein Drittel seiner theoretischen Lebensspanne hinter sich gebracht hatte. Das war keine Frage der Bevölkerungszunahme, sondern eine der Reife.
Oder lag es daran, dass Ayre einfach nicht schwanger werden wollte? Dass die Angst vor der Zukunft, die sie zweifellos verspürte, stärker wog als der Wunsch, Nachkommen in die Welt zu setzen? Dass sie davon überzeugt war, die Kimbaner hätten keine Zukunft mehr? Tagebuchroboter umschwirrten sie, doch sie nahmen sie nicht wahr. Die kleinen Doppelstäbler waren so allgegenwärtig, dass kein Kimbaner sie mehr bewusst registrierte. „Wir können nichts unternehmen", erwiderte Zyn Kascha. „Was in unserer Galaxis geschehen ist, übersteigt bei weitem unsere Fähigkeiten. Wir verstehen den Zerfall der Gravitation nicht einmal. Wie sollen wir ihm entgegenwirken? Wir können nur hoffen."
„Es geht nicht nur um uns."
Er nickte. Es ging auch um die Caranesen, mit denen sie hier im Kimb-System in einer Gemeinschaft lebten, wenngleich die Echsenwesen hauptsächlich als Arbeiter eingesetzt wurden, die den Anweisungen der Kimbaner folgten. Es ging um einhundert überlebende Völker in Kohagen-Pasmereix, die die Wissenschaftler der Kimbaner mit ihrem verzweifelten Plan zu retten versuchten. Sie hatten von dem verlassenen Planeten der Chhatt einhundert Temporalgeneratoren geborgen. Mit Hilfe dieser Generatoren hatten sie die einhundert bis dato überlebenden Zivilisationszentren von Kohagen-Pasmereix in Temporalfelder gehüllt. Diese Technik hatten als einzige die Chhatt beherrscht. Sie waren untergegangen, doch sie hatten den Überlebenden von Kohagen-Pasmereix eine letzte Chance eröffnet.
Isoliert in diesen Temporalfeldern, würden die hundert Sonnensysteme die Zeiten des Untergangs überdauern... „Wir haben nur eine Hoffnung", sagte Zyn. „Die Kosmokraten." Ayre spuckte das Wort geradezu aus. „Die den Krieg in unsere Galaxis getragen haben und nicht einmal wissen, was sie damit angerichtet haben."
„Die Völker von Kohagen-Pasmereix waren treue Helfer der Kosmokraten", widersprach Zyn. „Die Ewigen Wesen werden nicht vergessen, dass wir hier in ihrem Auftrag am Bau des Doms Dommrath mitgewirkt haben."
Ayre lachte heiser und kehlig auf. „Sobald die zweifellos bereits in Vorbereitung befindliche Rekonstruktion der galaktischen Schwerkraftlinien vollendet ist", fuhr Zyn fort, „sobald wir in der Galaxis wieder leben können, werden wir die Temporalfelder desaktivieren. Und die hundert Sonnensysteme kommen mit ihrer unersetzlichen Infrastruktur' als Keimzellen einer hochstehenden Kultur unversehrt wieder zum Vorschein." Ayres Augen blitzten, aber nicht vor Lebensfreude und Leidenschaft, sondern vor Zorn, Einen Moment lang befürchtete er tatsächlich, sie würde aufspringen und die Hand gegen ihn erheben. Stattdessen lachte sie nur.
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