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207 - Weg eines Gottes

207 - Weg eines Gottes

Titel: 207 - Weg eines Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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isländischen Geysir erinnert, der plötzlich mit Hochdruck aus dem Boden schoss. Es krachte lauter als bei einem Tropengewitter. Wieder bebte die Erde.
    Die durch unglaubliche Kräfte zusammengepressten Wellen wuchsen mit einem Schlag zu einer gigantischen, gut sechshundert Meter hohen Fontäne. Ein Tanker, der sich in der Meerenge befunden hatte, wurde wie ein Spielzeug empor geschleudert. Auf dem höchsten Punkt zerbrach er in der Mitte, fiel zurück und verschwand in der brodelnden Hölle.
    Die gestauten Wassermassen suchten sich ihren Weg nach allen Seiten. Sie liefen auf die weiße Stadt zu, schoben sich blitzschnell am Berg empor, schwappten darüber, bildeten eine neue Wand. Häuser zerrissen oder wurden vom Wasserdruck erst Hunderte Meter weit weg geschossen, bevor sie in den Strudeln verschwanden. Telefonmasten knickten wie Streichhölzer. Poulains Gehirn schaltete einfach ab, als er sich vorstellen wollte, was dort gerade mit den fast achthunderttausend Einwohnern geschah.
    Tanger wurde von der brodelnden Hölle aus Wasser und Schlamm einfach gefressen. Nichts blieb von der einst so stolzen Stadt übrig. Doch das unersättlich gewordene Meer gab sich damit noch lange nicht zufrieden. Der Wasserteppich schob sich weiter ins Landesinnere vor. Unaufhaltsam rollte er näher ans Rifgebirge heran, gespeist von weiteren Tsunami-Wellen, die sich in der Meerenge, die jetzt nur noch unter Wasser eine war, austobten.
    »Die Sintflut«, flüsterte Medior. »Allah schickt uns eine neue Sintflut.«
    Schon prallten die Wellen unterhalb des rund achthundert Meter hohen Plateaus gegen die Felsen. Der Donner, den der Aufprall verursachte, war kaum auszuhalten. Habib schrie und presste die Hände auf die Ohren. Poulain verzog schmerzhaft das Gesicht.
    Gierige Zungen lösten sich aus den schäumenden Wellen und leckten fünfzig, sechzig Meter an den Felswänden empor. Sie erreichten das Plateau nicht annähernd. Poulain atmete auf. Er schätzte, dass der Wasserspiegel um rund dreihundert Meter angestiegen war.
    Stunden später war das Wasser noch immer nicht abgeflossen. Es hatte rund dreißig Kilometer Land auf der afrikanischen Seite verschlungen. Und noch mehr auf der europäischen. Von der spanischen Küste war nichts mehr zu sehen. Nur noch aufgewühlte See, wohin er schaute. In den Fluten unter sich sah der Franzose riesige Trümmer treiben. Er erkannte Hauswände, zerschmetterte Boote, zerbeulte Autoteile, Einrichtungsgegenstände und jede Menge Leichen von Menschen und Tieren. Zudem wurde es jetzt finster und kühl. Staubwolken und Rauch verdunkelten den Himmel. Immer wieder fegten orkanartige Böen über das Gebirge. Das Plateau war längst zu gefährlich. Das Dorf bot hingegen noch immer Schutz.
    Medior versuchte verzweifelt, das Satellitentelefon des Trucks zu benutzen. Sie warf es aus dem Wagen. »Verdammt, es geht nicht!«, schrie sie und trat ein paar Mal gegen den Vorderreifen. »Meine Familie! Ich muss unbedingt wissen, wie es ihr geht!«
    »Opa, Oma«, wimmerte Habib.
    Poulain nahm sie beide fest in den Arm. Sie schluchzten verzweifelt. »Nicht weinen«, tröstete er sie halbherzig. »Ich bin sicher, dass es allen gut geht. Mekhe ist zu weit im Landesinneren. Das kann ein Tsunami nicht erreichen.«
    Medior funkelte ihn aus tränennassen Augen an. »Das weißt du nicht. Niemand weiß das. Ich muss nach Mekhe.«
    »Liebling, das geht doch nicht. Schau dir die Verwüstungen an. Die Stürme…«
    »Ach. Und du willst Rallyefahrer sein?«, schrie sie ihn an und löste sich von ihm. »Zu was hast du den verdammten Truck da vorn eigentlich? Wenn du nicht mit willst, dann gib ihn mir. Ich schaffe das schon.«
    »Mama, Mama«, weinte Habib. »Du darfst nicht weg. Du musst bei uns bleiben.«
    »Also gut, wir schlagen uns nach Mekhe durch. Kein Problem«, entschied Maurice Poulain, der sich in seiner Ehre als Rallyefahrer gekränkt fühlte.
    ***
    Zur selben Zeit, Meilen entfernt
    Nachdem die Betäubung durch den Aufprall nachgelassen hatte, sondierte Mul’hal’waak die neue Umgebung mit seiner Wahrnehmungsmatrix. Fester Boden. Nirgendwo Lava. Primitives Leben um ihn her. Es bewegte sich in dieser nachgiebigen, gelben Substanz, in der sein Gefäß nun steckte. Eine seltsame Welt. Völlig fremdartig. Konnte das wirklich der Zielplanet sein, den Sol’daa’muran für sie auserwählt hatte? Natürlich. Denn der Sol irrte sich niemals. Trotzdem blieben leichte Zweifel.
    Eine etwas größere, flache Lebensform fühlte sich

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