2077 - Die Dunkle Null
den Zeilen glaubte ich heraushören zu können, wie wenig beliebt Mondra Diamond war. Direkt sagte es niemand, aber die Stimmung war eindeutig gegen sie.
Ich verstand Mondra und ihre Situation Viel zu gut, Auch ich war und blieb eher ein Außenseiter, seit der Verleihung des Aktivators vielleicht noch mehr als zuvor. Ganz deutlich standen mir die Reaktionen Sato Ambushs und Nikki Frikkels vor Augen. Damals auf Wanderer war für uns alle ES' Entscheidung überraschend gewesen.
Ohne Wehmut hatte Sato versichert: „Ich fühle mich um nichts betrogen, Myles. ES hat die richtige Wahl getroffen."
Nikki hatte mich schluchzend umarmt, als wolle sie mich erdrücken. Ganz deutlich hörte ich ihre Stimme: „Verdammter Bengel, Du hast mir das ewige Leben gestohlen, Aber ich freue mich für dich."
Und aus dem Hintergrund war Bullys Kommentar erklungen: „Wer hat das schon mal gesehen?
Die Frickel flennt,..."
Abermals glaubte ich den Schmerz zu fühlen, dort, wo meine Beine gewesen waren; ich hatte nicht gewollt, daß mich Ernst Ellert aufhob und forttrug, hinein in die „Halle der Unsterblichkeit". 'Ich wollte nicht, daß er mich von meinem Kantormobil trennte. So und -nicht anders hatte ich leben wollen, hatte mich auch stets geweigert, daß die Mediker mir synthetische Beine anpaßten. Niemand reagierte auf meine Schreie, niemand kam, um mir beizustehen. Ich war dem ,Willen von ES ausgeliefert gewesen, hatten den Chip erhalten und trug seither das Mal, auf dem linken Oberarm. Auf eine Erklärung wartete ich bis heute vergebens ...
*
Ich hatte mich zurückgezogen, um ungestört nachdenken zu können. Mißmutig wischte ich das Holotableau, auf dem diverse Datenfenster leuchteten, zur Seite und murmelte: „Sollte es sich tatsächlich um ein eigenständiges Universum handeln, heißt das maßgebliche Stichwort Strangeness. Leider sind die Störeinflüsse zu stark, exakte Daten lassen sich nicht ermitteln." ,Strangeness - seit Jahrhunderten Bestandteil der theoretischen Hyperphysik und letztlich noch immer in der vollen Konsequenz rätselhaft, weil als absoluter Wert nicht zu messen und überdies mit Aspekten wie der eigentlich per definitionem ausgeschlossenen negativen Strangeness der anderen Möbiusseite des Standarduniversums verknüpft.
Schon den Arkoniden, denen wir den Einstieg in die Hyperphysik verdankten, waren Theorien über Paralleluniversen geläufig gewesen.
Gleiches galt auch für lokal begrenzte Universalstrukturen Raum-Zeit-Nischen genannt oder, sofern es sich um separierte Teil oder Miniaturkontinua handelte, als Hypervakuolen umschrieben. Aber es hatte keine quantitativen Überlegungen gegeben, die, Auswirkungen auf die Praxis gehabt hätten. In der altarkonidischen Hyperthorik waren zwar Algorithmen, Formalismen und Beschreibungsmöglichkeiten formuliert worden. Da sie zumeist als „spekulative Grenzwissenschaft" angesehen worden war, konnte von einer praktischen Auswertung dieser Erkenntnisse seinerzeit nie die Rede sein.
Um sich die merkwürdigen Eigenschaften der Howalgonium„Atome" zu erklären, hatte der terranische Wissenschaftler Arno Kalup als erster die Vermutung geäußert, daß sie „nur zum Teil" im Standarduniversum existierten. Waringer verfolgte diese These weiter und postulierte, daß der Howalgonium-Kern mitsamt seiner Elektronenhülle in „zwei verschiedenen Universen rotiert". Die besonderen Eigenschaften des Howalgoniums veranlaßten Kalup schon im Jahr 2090, seine Hypothese einander paralleler Universen zu formulieren; später wurde auch von Parachron-Physik gesprochen.
Lächelnd dachte ich an den entsprechenden Abschnitt der ENZYKLOPAEDIA TERRANIA, der in einem der Datenfenster eingeblendet war: ... aufgrund seiner Kenntnisse von der Ausdehnung und Massebelegung des Standarduniversums gelangte der Hyperphysiker zu dem Schluß, daß es so viele Universen geben müsse wie Möglichkeiten, die riesige, aber begrenzte Anzahl von Elementarteilchen, die ein Universum ausmachen, miteinander zu kombinieren ...
In einem weiteren Schritt wies Kalup jedem der Universen einen bestimmten Betrag an sechsdimensionaler potentieller Energie zu und postulierte, daß der Übergang von einem in ein anderes Universum nur dann möglich sei, wenn das übertretende Objekt den auf seine Masse zugeschnittenen Differenzbetrag an potentieller Energie entweder absorbierte oder abstrahlte -je nachdem, ob das benachbarte Universum energetisch höher oder tiefer lag ... „Sonderlich glücklich
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