208 - Nach der Eiszeit
verreck’mer alle«, wiederholte Mulay Sorkos Worte, so wie er es immer tat. »Aber es is’n Problem, einfach von dem Hausakoy wegzugehen.«
»Es gibt keine Probleme, nur passende Lösungen, du Gnukopf«, fuhr ihn Sorko an. »Und die Lösung is, dass ich mal ein ernstes Wort mit dem Hausakoy reden tu. Ich sag ihm, dass ‘mer ihm nicht mehr folgen wollen.«
»Hört, hört«, sagte Behanzin und zupfte sich ein Stück Eis aus dem Bart, »da redest ja plötzlich völlig anders als sonst, wo’de den Gott immer verteidigen tust. Das gefällt mir, wenn’de auf unserer Seite bist.«
(Dein Einfluss auf den Primärrassenvertreter Sorko schwindet immer mehr), stellte der Namenlose fest.
(Das ist wahr), erwiderte Mul’hal’waak. (Es hängt damit zusammen, dass Sorko die Nähe des Kristalls immer öfters meidet. So kann ich nicht mehr dauerhaft den notwendigen ontologisch-mentalen Druck auf ihn ausüben, und er entwickelt Gedanken und Hypothesen, die gegen uns gerichtet sind. Das ist gefährlich. Sorko ist der, auf den alle hören.)
(Du musst Sorko zu dir zwingen, Mul’hal’waak. Aber so, dass er es nicht als Zwang empfindet. Wenn ich die Reaktionen der Primärrassenvertreter richtig deute, mögen sie Zwang nicht. Sie empfinden ihn nicht als zielgerichtete Unterstützung, sondern als unangemessen.) (Was schlägst du vor?)
(Die Primärrassenvertreter lieben feste Zeremonien.
Erkläre Sorko also, dass es notwendig ist, unser Gefäß jeden Morgen und Abend zu reinigen, und dass Gle’le somit genau das Richtige tut. Erkläre ihm weiterhin, dass die Reinigung eine heilige Zeremonie ist, die er ab jetzt selbst vorzunehmen hat. So hast du ihn zwei Mal pro Rotation bei dir und kannst den nötigen Einfluss ausüben.)
(Eine gute Idee, die zu fünf von sieben Teilen Erfolg verspricht), erwiderte der Hal sinnend. (Ich werde deinem Vorschlag folgen.)
Seit Daouda Sorko zwei Mal am Tag die Heilige Säuberung vornahm, verteidigte er den Gott Hausakoy mit glühenden Reden. Den Soninké Behanzin mähte er sogar mit dem Schnellfeuergewehr nieder, als dieser widersprach. Damit war jeder Gedanke an offene Rebellion gegen den Gott gestorben.
Ein weiteres halbes Jahr trieb Mul’hal’waak die Menschen nach Norden, immer weiter in eine Welt hinein, die nur noch aus furchtbarer Kälte, Schnee und Eis bestand. Sie benutzten die ehemaligen Hauptverkehrsstraßen, die zwar verschneit, aber noch immer erkennbar waren.
Der Clan setzte sich inzwischen nur noch aus dreiundzwanzig Menschen, vierzehn Männern und neun Frauen zusammen, die sich erschöpft durch das unendliche Eis kämpften. Der Rest war an Grippe, Erkältung und Entkräftung gestorben. Die Überlebenden zogen einen Ochsenkarren und schleppten eine schwere, viereckige Kiste an zwei Tragestangen mit. Darin befand sich, in Öltücher eingewickelt, Poulains KTM. Nachdem das Benzin endgültig ausgegangen war, hatte sich Mul’hal’waak entschlossen, das Motorrad mitzunehmen.
Er wollte dieses Stück Technik bewahren, um es vielleicht später wieder nutzen zu können. Den Lastwagen hatte er hingegen abschreiben müssen.
Der Daa’mure erklärte die Kiste zur Wohnung des Hilfsgeistes Katehm, über den alleine sie mit ihm in Verbindung treten könnten. Deswegen dürfe der Schrein auch niemals verloren gehen.
Das Häuflein Primärrassenvertreter war durch die fortschreitende Synapsenblockade – eine Folge der Strahlung, die seit der Ankunft des Wandlers über der Erde lag – zwischenzeitlich so weit verdummt, dass es die Vorgaben ihres Gottes nicht einmal mehr hinterfragte.
Mul’hal’waak sah ein, dass er den Primärrassenvertretern größere Pausen zur Erholung gönnen musste, auch wenn die Strahlung nach Norden hin immer intensiver wurde. Offenbar waren Zentral- und Südafrika weit geringer davon betroffen, was vermuten ließ, dass hier weniger Kristalle als anderswo niedergegangen waren. Trotz intensiver Suche waren Mul’hal’waak und der Namenlose bislang auf kein anderes Geistgefäß gestoßen.
In den Ruinen von Essouk, die sie mehr schlecht als recht erreichten, ließ der Daa’mure seine Jünger ein halbes Jahr lang ausruhen. Hier kam es zur Verbrüderung mit einer Gruppe Dogon. Auch wenn die Aggression einzelner Primärrassenvertreter gegeneinander Tote forderte, klappte die Zusammenarbeit doch einigermaßen. Denn der Daa’mure regierte nun, im übertragenen Sinne, mit eiserner Hand.
Dogon und Songhai jagten Ratzen und anderes Ungeziefer in den Kellern und
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