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208 - Nach der Eiszeit

208 - Nach der Eiszeit

Titel: 208 - Nach der Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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mehrere diffuse Bewusstseinsmuster. Sie gieren nach warmem Fleisch und Blut!)
    (Sofort raus aus der Höhle!), meldete sich der Daa’mure in Olisehs Geist. Dabei ging er wohl etwas zu heftig ans Werk. Der Häuptling keuchte und taumelte.
    In diesem Moment griffen sie an: Schwarze Schatten, die sich an der Höhlendecke festgeklammert hatten, ließen sich blitzschnell an dicken weißen Fäden herunter und begruben die Menschen unter sich. Riesige Spinnen!
    Aus dem Höhlenspalt huschten weitere Exemplare.
    Furchtbare Schreie erklangen. Jeder war sich selbst der Nächste, alle versuchten zu fliehen. Oliseh lag unter einer der schwarz bepelzten Spinnen. Er sah ihre Beine neben sich, dick wie Pfähle. Ein seltsames Summen erfüllte den Spinnenleib und ließ ihn zittern. Der Häuptling schrie. Sein Speer, der ihm beim Aufprall aus der Hand gefallen war, lag unerreichbar neben ihm.
    Panisch wand sich Oliseh auf dem Boden hin und her.
    Eine riesige Kauschere zuckte herab und schlug knapp neben ihm auf das Gestein. Gleichzeitig tropfte ein klebriges Sekret auf seine Kleider. Es zischte. Dampf stieg auf.
    Drei schnellen Attacken konnte Oliseh ausweichen, dann traf ihn die Flüssigkeit im Gesicht. Grausame Schmerzen rasten seine Nervenbahnen entlang.
    Säure!
    Sie zerfraß in Sekundenschnelle seine Haut, verätzte seine Augen. Der Häuptling brüllte wie am Spieß, versuchte sich das Sekret aus den Augen zu reiben. In diesem Moment traf ihn die Kauschere mit voller Wucht in die Brust. Sie durchdrang Kleider und Haut ohne Mühe. Abrupt verstummte Olisehs Brüllen. Er zuckte noch ein paar Mal hilflos. Blut lief aus seinem Mund.
    Dann erschlaffte er.
    Umgehend begann ihn das Tier einzuspinnen.
    Sein Schicksal teilten vierzehn weitere Clanmitglieder. Erst dann bekam Mul’hal’waak das Grauen in den Griff. Er machte die stärkste Spinne aus, übernahm sie und befahl ihr, sich auf ihre Artgenossen zu stürzen. Bald schon brachten sich die Spinnen gegenseitig um.
    (Bisher hielt ich es für nützlich, eine Synapsenblockade bei den Primärrassenvertretern dieses Planeten auszulösen), sagte Mul’hal’waak. (Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.)
    (Warum nicht?), gab der Namenlose zurück. (Je weiter die Degeneration fortschreitet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir irgendwann einen der Primärrassenvertreter ganz übernehmen können. Sie ist also absolut notwendig für uns.)
    (Ja. Aber durch die reduzierte Intelligenz werden die Menschen zur leichten Beute aller möglichen Sekundärrassenvertreter, die sie noch vor einigen Jahrzehnten ohne große Probleme besiegen konnten.
    Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, wird bald keiner mehr übrig sein, der unsere Mobilität garantiert.) (Du hast Recht, Mul’hal’waak. Was sollen wir also tun?)
    (Wenn wir den Clan weiter nach Süden führen, dorthin, wo die Strahlung nicht so intensiv ist, kann er wieder ein Intelligenzniveau erreichen, das sein Überleben ermöglicht.)
    ***
    Bamako, Mali, 2008 – 2012
    Nachdenklich starrte Professor Amadou Sangaré auf den aquariumsgroßen Käfig, in dem ein paar Dutzend Tsetsefliegen summten. Mussa, eine der zahlreichen Laborantinnen, stand beim Strahler und beobachtete den großen, stattlichen Mann mit der dicken Brille und dem mächtigen Bauch genau. Würde er es sehen? Und etwas sagen?
    Sangaré hatte die Hände in den Taschen seines weißen Laborkittels vergraben. »Sie haben sich nicht mehr weiter vermehrt, stimmt’s?«
    »Sie haben ein gutes Auge, Professor.« Aber das wusste Mussa ja schon länger. Die Laborantin hatte schon früher für Sangaré gearbeitet und ihn mit ihrem Wissen und ihren Ideen beeindruckt. Deswegen hatte er sie auch in dieses Projekt übernommen, das wichtigste und größte, an dem er bis jetzt gearbeitet hatte.
    Wie Sangaré stammte auch die hübsche junge Mussa aus der malischen Hauptstadt Bamako. Sie mochte den Professor wegen seiner gemütlichen Art. Er wurde niemals böse, selbst wenn er schlechte Laune oder berechtigten Grund zur Kritik hatte. Der Achtundfünfzigjährige galt weltweit als die Kapazität auf dem Gebiet der Tsetsefliegen-Forschung. Deswegen hatte er von der Internationalen Atomenergieorganisation IAEA den Auftrag erhalten, das bisher überaus erfolgreiche SIT-Programm zu optimieren. Die »Sterile Insekten-Technologie« bezeichnete ein Forschungsprogramm, bei dem männliche Insekten mit Radioaktivität bestrahlt und so sterilisiert wurden. In freier Wildbahn ausgesetzt, gaben sie dann den

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