208 - Nach der Eiszeit
wird sich schon wieder legen. Wien wird das regeln, da bin ich sicher. Ein Sturm im Wasserglas.«
»Ja, vielleicht. Aber ich frage mich, woher der World Wildlife Fund diese ausgezeichneten Detailinformationen hat. Die können nur aus unserer Code-eins-Sektion kommen. Ich befürchte, dass wir dort einen Maulwurf sitzen haben. Den müssen wir unbedingt finden und unschädlich machen.«
»Ja, tatsächlich, das habe ich im Moment der Aufregung ganz übersehen. Finden Sie das Schwein, Diarra. Und dann gnade ihm Gott.«
Diarra fand den Maulwurf nicht. Und so beschäftigten sich in den nächsten Tagen und Wochen fast alle großen Zeitungen weltweit mit dem Thema. WWF, Atomkraftgegner und verschiedene internationale Tierschutzorganisationen arbeiteten Hand in Hand und warfen der Internationalen Atomenergieorganisation vor, die Risiken atomarer Bestrahlung extrem zu verharmlosen und die zum Teil grauenvollen Ergebnisse zu verheimlichen. Versuche im Rahmen des SIT-Programms in einem Labor in Bamako würden das nur allzu deutlich zeigen. Denn bei der Bestrahlung von Tsetsefliegen seien nicht alle Männchen steril geworden.
Bei einigen sei lediglich das Erbgut so verändert worden, dass grausam entstellter Nachwuchs entstanden sei. Die Fotos, die Fliegen mit drei Köpfen, seltsam verdrehten Körpern und falsch angesetzten Gliedmaßen zeigten, waren eindeutig in der Code-eins-Sektion aufgenommen worden.
Diese Versuche könnten – bei allem Nutzen, der bei den richtig sterilisierten Männchen zweifellos vorhanden sei – auch bei Tsetsefliegen nicht hingenommen werden.
Außerdem forderte die Front der Gegner, die Ergebnisse in allen Einzelheiten offen zu legen.
Journalisten, die vorgelassen werden wollten, wimmelte Sangaré ab oder verwies sie nach Wien, wo die IAEA in der dortigen UNO-City ihr Hauptquartier hatte.
Knapp einen Monat nach dem ersten Bericht in Les Echos erhielt Professor Sangaré einen Anruf aus Wien.
Marian Petrescu persönlich war am Apparat. Er war einer von sechs Vizedirektoren, die die Hauptabteilungen der IAEA leiteten und für die Abteilung
»Nuklearwissenschaften und Anwendungen« zuständig.
Diese Abteilung hatte Sangaré den Auftrag für die Versuchsreihen in Bamako erteilt. Petrescu machte den Professor mit der Entscheidung bekannt, dass das Projekt in Bamako sofort einzustellen sei.
»Aber… aber… das können Sie doch nicht machen, Herr Direktor«, stammelte Sangaré. »Jetzt, wo wir kurz vor dem Durchbruch stehen. Wir sind dabei, das Problem in den Griff zu bekommen, wie Sie meinem letzten Bericht entnommen haben dürften.«
»Ja, aber da Sie es bisher nicht geschafft haben, die undichte Stelle in Ihrer Hochsicherheitsabteilung zu finden, bleibt uns gar nichts mehr anderes übrig. Fast täglich gelangen neue Fotos mit grässlichen Mutationen aus Ihrem Haus an die Öffentlichkeit. Meine Frau und meine Kinder können schon gar nicht mehr schlafen, Professor.« Petrescu lachte heiser. »Und ich auch nicht. Hören Sie, Professor, dank Ihres Dilettantismus gerät meine Abteilung immer mehr unter Druck. Im Gouverneursrat wurde nun einstimmig beschlossen, dass wir ein Ausrufezeichen setzen, das der Welt deutlich macht, dass die IAEA keineswegs die Risiken atomarer Bestrahlung verharmlosen oder unter den Tisch kehren will. Sie stellen die Versuchsreihen sofort ein und werden großzügig abgefunden. Und wir sagen der Welt, dass wir auf Grund der schockierenden Ergebnisse ohnehin vorhatten, die Versuche zu beenden. Nun eben öffentlich anstatt in aller Heimlichkeit. Die Welt soll sehen, dass wir verantwortungsvoll mit Atomenergie umgehen.«
Sangaré schnaubte empört. »Ich… ich bin also ein Bauernopfer.«
Petrescu lachte. »Wenn Sie so wollen, ja. Aber ein überaus reiches Bauernopfer. That’s life, Professor, that’s life. Machen Sie sich nichts daraus, wir arbeiten sicher wieder mal zusammen. Schließlich müssen wir nun einen anderen Weg finden, die Tsetses unschädlich zu machen. Heute Nachmittag treffen unsere Inspektoren in Bamako ein. Sie überwachen, unter Beisein internationaler Medien selbstverständlich, den Abbau der Versuchsreihen. Und Sie werden ihnen dabei überaus behilflich sein. Haben wir uns verstanden, Sangaré? Kommen Sie bloß nicht auf den Gedanken, uns irgendwelche Steine in den Weg zu legen.«
»Wie käme ich dazu. Mir blutet zwar das Herz, aber… Wie viel bekomme ich, Herr Direktor?«
»Reichen Ihnen drei Millionen?«
»Euro?«
»Seien Sie nicht so gierig.
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