Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
Vom Netzwerk:
an die 13,7 Milliarden Jahre alt ist.
Und die genannten Zeitabschnitte liegen in Wirklichkeit nicht einmal so weit auseinander, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wir haben allen Grund, uns im Universum als Ganzes zu Hause zu fühlen. Der Planet, auf dem wir leben, ist ziemlich genau ein Drittel so alt wie das Universum, und den Tierunterstamm, dem wir angehören, die Wirbeltiere, gibt es seit etwa einem Zehntel der Zeit, die der Planet Erde und unser Sonnensystem existieren. So wenig unendlich ist das Universum. Oder umgekehrt: So substanziell tief reichen unsere Wurzeln und ist unsere Verwandtschaft mit der universalen Ackerkrume.
Der Mensch ist vielleicht das einzige Lebewesen im gesamten Universum, das ein universales Bewusstsein besitzt. – Wenn es so ist, wird uns allein das schwindelerregende Erlebnis dieses gewaltigen und rätselhaften Weltalls zuteil, dem wir auf substanzielle Weise angehören. Dann aber ist es nicht nur eine globale Verantwortung, das Leben auf unserem Planeten zu erhalten, sondern eine kosmische.«
     
    »Wir haben allen Grund, uns im Universum als Ganzes zu Hause zu fühlen.« – Diesen Satz hatte Nora sich eingeprägt, als sie die Radiosendung zum ersten Mal gehört hatte. Ob es da draußen nun Leben gab oder nicht, in jedem Fall war das Leben auf der Erde für das gesamte Universum von Bedeutung, und mit seinem Bewusstsein hatte der Mensch auch noch eine Sonderstellung. Ohne anderes Leben aber konnte der Mensch nicht existieren. Eine notwendige Voraussetzung für die Existenz des Menschen war zum Beispiel etwas so Kleines und Unansehnliches wie gewisse Bakterien. Sogar Bakterien waren von kosmischer Bedeutung, denn auch sie trugen dazu bei, das Wissen des Menschen über den Erdball und das gesamte Universum zu vergrößern. Da konnte man vor solchen Mikroorganismen doch nur den Hut ziehen! Sie wussten es kaum, aber auch sie spielten eine kosmische Rolle.
    Nora prustete los. Bei der Vorstellung, dass selbst eine winzig kleine Bakterie mithalf, dem Universum einen Sinn zu geben, konnte sie sich das Lachen nicht verkneifen.
     
    Sie schaute aus dem Fenster auf die Tankstelle und zugleich ins strahlende schöne Winterwetter. Sie musste endlich Jonas anrufen. Aber er kam ihr zuvor.
    Jonas wohnte in Lo, etliche Kilometer tiefer im Tal. Bevor sie zusammen in dieselbe Schule gingen, hatten sie sich nicht gekannt. Die Schule versammelte Schülerinnen und Schüler aus dem halben Regierungsbezirk, und viele wohnten weit entfernt. Das war einer der Gründe, warum es so schwer war, sich auch abends zu sehen.
    In diesem Jahr konnten sie schon seit Mitte November Ski laufen, und in letzter Zeit hatten Jonas und sie sich öfter ungefähr auf halber Strecke zwischen ihren Wohnorten getroffen, dort, wo Noras Familie schon seit Menschengedenken eine Berghütte besaß. Genau das schlug Jonas jetzt wieder vor. Der Tag sei ja wohl seine letzte Chance, mit einer Fünfzehnjährigen zusammen zu sein.
    Er hätte eine klügere Bemerkung machen können, denn natürlich musste Nora gleich wieder an den geheimnisvollen Brief denken, den Uma ihrer Enkelin geschrieben hatte. Der musste zwangsläufig vor der Zeitgrenze vom 12. 12. 12 verfasst worden sein. Wenn nicht, würde er ja nicht ankommen. Wenn nicht, wäre er nicht angekommen, nachdem sie diesen Filter eingeschaltet hatte. Darum ging es, das war die Logik der Sache. Und darum sagte sie:
    »Eigentlich hab ich ja zu tun. Ich müsste dringend etwas erledigen.«
    »Etwas von kosmischer Bedeutung?«
    »Ja, Jonas. Aber das ist noch nicht alles. Hast du heute schon Nachrichten gehört?«
    »Klar. Du hast dich so lange nicht gemeldet, dass ich dachte, da könnte ich auch mal kurz ins Netz schauen.«
    »Ester Antonsen.«
    »Die junge Frau in Somalia?«
    »Ja …«
    »Es ist fast zu blöd, um wahr zu sein. Einfach vom Flughafen in Mogadischu loszufahren, ich meine …«
    »Ester Antonsen ist die Tochter von Benjamin. Ich hab eben mit ihm telefoniert.«
    »Du hast mit Dr. Benjamin telefoniert?«
    »Er heißt Dr. Antonsen. Benjamin Antonsen.«
    »Ach so …«
    »Mein Fehler, ich hatte das mit dem Namen verpeilt.«
    »Und er hat dich einfach angerufen und erzählt, dass seine Tochter entführt worden ist?«
    »Nein, ich hab ihn angerufen.«
    »Und warum?«
    »Nicht deshalb. Ich wollte ihn um eine psychiatrische Einschätzung des Menschen als solchen bitten, als Art, verstehst du. Ich wollte wissen, woher unsere Verachtung für anderes Leben und der fehlende

Weitere Kostenlose Bücher