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2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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vermisste Frau schon einmal gesehen haben könnte. Vielleicht als sie mit Jonas durch Oslo spaziert war? Oder als sie im Umwelthaus nach Broschüren und Tipps für die Gründung einer Umweltgruppe gefragt hatten? Auch dort waren sie vielen Menschen begegnet. Nur: Wie wahrscheinlich war es, dass sich ausgerechnet von diesen Menschen jemand ein paar Wochen später in Afrika befand, noch dazu im Auftrag des Welternährungsprogramms? Sie hatten mit Leuten von der Stiftung Regenwald gesprochen und mit einer Frau, die einer Organisation angehörte, die sich Entwicklungsstiftung nannte. Arbeiteten diese Organisationen vielleicht mit dem Welternährungsprogramm zusammen? So ganz konnte sie sich auf all das keinen Reim machen.
     
    Sie griff zu dem Prachtband aus Australien: Discovering the World’s Extinct Animals . Das schwere Ding wog bestimmt über ein Kilo, vielleicht anderthalb. Auf dem Umschlag war die Zeichnung einer Dronte – so hieß ein großer Taubenvogel auf Mauritius, der zuletzt 1681 gesichtet worden war. Nora schlug das Buch bei der Zeichnung des letzten Moavogels auf, den um das Jahr 1600 die Maori in Neuseeland ausgerottet hatten. Darauf folgten Zeichnungen aller Säugetiere, Vögel und Reptilien, die nachweislich zwischen 1500 und 1989 ausgerottet worden waren.
    Dronten und Moas war gemeinsam, dass sie nicht fliegen konnten. Sie hatten zudem keine natürlichen Feinde, bis Menschen auf die Inseln kamen, auf denen sie lebten. Für die waren sie dann eine leichte Beute.
    Nora hatte irgendwo gelesen, dass der Moa in der Folklore der Maori noch immer einen Platz hatte. In Neuseeland – oder Ao-tea-roa, wie die Maori ihr Inselreich nannten – konnte man noch immer ein Klagelied hören, das ihn besang: No moa, no moa in old Ao-tea-roa. Can’t get ’em. They’ve et ’em. They’ve gone and there ain’t no moa.
    In dem dicken Buch lag der Ausdruck eines Artikels, den Nora im Netz gefunden hatte.
     
Die sogenannten Roten Listen bedrohter Tier- und Pflanzenarten werden als immer prachtvollere Publikationen mit gestochen scharfen Farbbildern all jener Arten veröffentlicht, die vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet sind. Als gleichsam natürliche Fortsetzung dieses Trends werden wir in einigen Jahren sicher wunderbare »Coffeetable-Books« mit ebenso beeindruckenden Bildern der Arten sehen, die dann schon ausgestorben sind. Es wird sich um dieselben Aufnahmen handeln, die vorher die Listen der bedrohten Arten zierten, und irgendwann in der Zukunft werden wir die betroffenen Arten vielleicht »Fotofossilien« nennen, weil es diejenigen sind, die wir wenigstens noch im Bild bewahren konnten, ehe sie zusammen mit ihren Lebensräumen verschwanden.
Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass sich die Fotokunst – und die digitale Speicherung von Information – gerade zu dem Zeitpunkt ausbreitete, als wir damit anfingen, die biologische Vielfalt auf der Erde endgültig zu zerstören? Eines Tages wird das kindliche Interesse an Dinosauriern der Vergangenheit angehören und eine unersättliche Gier nach Fotogalerien ausgestorbener Vögel und Säugetiere an dessen Stelle treten. Für die Allerkleinsten wird dann wohl das Bilderlotto eine Renaissance erleben.
     
    Nora fand das alles nur noch krank. Welches Recht hatten die Menschen, andere Lebensformen auszurotten? Was war bloß los mit den Menschen? Das wollte sie so bald wie möglich herausfinden, und genau dazu kam ihr jetzt eine Idee.
    Sie öffnete die Schreibtischschublade und nahm Dr. Benjamins Visitenkarte heraus. Er hatte gesagt, sie könne ihn einfach anrufen. Trotzdem schickte sie ihm vorsichtshalber erst eine SMS .
    Was ist los mit uns Menschen? Können wir darüber sprechen? Wann kann ich anrufen? Liebe Grüße, Nora (Nyrud)
    In weniger als einer Minute kam die Antwort:
    Ruf gern sofort an. Ich bin heute nicht bei der Arbeit. Benjamin
    »Ich bin heute nicht bei der Arbeit.« – Warum schrieb er das? Klar, wenn er im Krankenhaus und beschäftigt wäre, dürfte sie ihn natürlich nicht anrufen. Dennoch stimmte da irgendetwas nicht. Warum schrieb er ihr ausdrücklich, dass er nicht bei der Arbeit war? Und warum war er es nicht?
    Ein Chaos aus Gedanken wirbelte durch ihren Kopf. Aber noch ehe sie in dem Chaos Ordnung schaffen konnte, gab sie seine Nummer ein. Er meldete sich nach wenigen Sekunden.
    »Benjamin?«
    »Hier ist Nora.«
    »Hallo. Woher weißt du …«
    »Sie haben mir Ihre Karte gegeben.«
    »Ach so.«
    »Sind Sie im

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