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2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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deren Nähe sie ohnehin niemals kommen werden, Jagdfalken etwa oder Schneeeulen. Und jetzt stelle man sich vor, jeder einzelne Steuerzahler dürfte zwischen einer und acht Arten ankreuzen, in deren Erhalt seine Umweltsteuern fließen sollen – es wäre eine Sache individueller und freiwilliger Entscheidungen. Zudem hätten die Leute etwas, worüber sie reden und womit sie sich wichtig machen können.«
     
    Nora hielt inne und fragte: »Du willst tausendundeinen Fonds einrichten, und die Menschheit als Ganzes soll ihn verwalten? Das heißt, an einem Tag gibt man vielleicht eine oder zwei Kronen für den Bärenfonds, und am nächsten Tag liegen einem eher der Steinadler, der Uhu oder der Hühnerhabicht am Herzen? Und einmal im Jahr, zum Beispiel an Weihnachten, spendet man ein oder zwei Kronen für einen gefährdeten Salamander oder Frosch?«
    »Oder umgekehrt, einmal in der Woche zahlt man für einen Salamander oder Frosch, und für den Steinadler oder Hühnerhabicht gibt man zu Weihnachten und Neujahr. Denn wer kommt zuerst, der Frosch oder der Hühnerhabicht?«
    »Der Frosch«, sagte Nora. »Der Hühnerhabicht muss ja von etwas leben.«
    »Und wovon lebt der Frosch?«
    »Von Insekten und anderen Gliedertieren … und von Würmern. Ich hab mal gesehen, wie ein Frosch einen ganzen Regenwurm ins Maul gesaugt hat.«
    »Und was kommt noch davor?«
    »Pflanzen … Pilze … und einzellige Organismen.«
    »Gut.«
    »Wieso gut? Das ist gar nicht gut. Und sowieso kannst du das unmöglich alles heute aufgeschrieben haben. Das glaub ich einfach nicht. Hörst du: Das glaub ich nicht.«
    »Wie wär’s, wenn du weiterliest?«
    Sie schaute wieder auf die Blätter in ihrer Hand und las:
     
»Ich höre schon den Einwand, ob dem Menschen die Natur wirklich so wichtig ist. Haben wir aus der Erde nicht längst einen einzigen großen Vergnügungspark gemacht? Gibt es nicht viel zu viele Vergnügungen, zwischen denen wir uns entscheiden müssen, als dass es uns gelingen könnte, uns auf die großen und gemeinsamen Menschheitsaufgaben zu konzentrieren? Wir teilen uns alle diesen einen Planeten, aber nicht alle schaffen es, planetarisch zu denken. Dazu gibt es zu viel Freiheit auf der Welt, zu viele Rechte für den Einzelnen, zu viel Kaufkraft für die Reichen, zu viele Barrel Öl und Jetmotoren, mit denen die Reichsten der Reichen sich amüsieren können, aber zu wenig Verantwortungsgefühl für die Erde, auf der wir leben, und zu wenig Interesse an einer gerechten Verteilung der Rohstoffe auf der Welt. Es gibt viele tausend andere Aspekte des Daseins, die den Menschen beschäftigen, ehe er sich mit etwas so Ausgefallenem befasst wie der Frage, was das Beste für die Erde ist und für die Natur. Sehen wir uns doch nur an, was Zeitungen und Illustrierte alles über Sport und Lotterien scheiben, über Restaurants und Weine, Autos und Kreuzfahrtschiffe, Handys und Computer, Kochen und Fitness, Medikamente und Lifestylekrankheiten, Gesundheit und Rausch, Sex and the City – von Klatsch und Skandalen ganz zu schweigen. Jeder Tag hat seine Fernsehpromis oder Filmstars, die heiraten oder sich scheiden lassen, Drogenprobleme haben oder einen Entzug antreten. Darüber wird geredet. Bei diesen Themen finden wir die Menschen. Das ist es, wonach sie lechzen. Wir haben uns von der Natur entfernt, in der wir leben und von der wir am Ende doch so sehr abhängig sind. Wir sind schon so weit, dass die meisten Menschen mehr Fußballspieler und Filmstars beim Namen nennen können als Vögel.
Worauf ich hinauswill? Darauf, dass es bei unserer Herangehensweise einen menschlichen Faktor braucht. Wir wollen die enorme Zahl von tausendundeiner gefährdeten Tier- und Pflanzenart vor der Ausrottung bewahren. Das wird uns nur gelingen, wenn wir das, was wir über die menschliche Natur wissen, mit einbeziehen. Es wäre schon ein großer Schritt, wenn wir nur einen Bruchteil des Interesses an Sportergebnissen, Promiklatsch und fadenscheiniger Kunst und Kultur auf die Welt als solche übertragen könnten, auf die lebende Natur und den ganzen großen Schatz von Tier- und Pflanzenarten, die in Gefahr sind, ausgelöscht zu werden. Das große Mediengeplapper kann gern weitergehen, nur geht es dann eben auch um Trottellummen, Papageientaucher und Nashörner, nicht nur um Arsenal London und die Tottenham Hotspur. Warum nicht Glücksspiele für bedrohte Arten einführen? Nichts würde dagegen sprechen. ›Darf es ein Los für den Papageientaucher sein, Ziehung am 31.

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