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2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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Juli? Nein? Dann vielleicht ein Rubbellos für Schneeeulen? Sie können sich überhaupt nicht für Vögel begeistern? Wie wär’s dann mit einem Luchslos für die morgige Ziehung der diesjährigen Luchslotterie? Die sind im Angebot, und die Gewinnzahlen finden Sie schon morgen Abend im Internet.‹ Ich höre es schon summen wie in einem Bienenkorb. Das wunderbare Geplapper, das sich endlich auf die Seite der Natur geschlagen hat: ›Nein, die nächste Runde geht auf mich. Stell dir vor, ich hab auf Meeresschildkröten gesetzt und ein paar hundert Kronen gewonnen …‹«
     
    Sie starrte ihn an, das heißt, sie sah immer noch nur seinen Rücken.
    »Jonas … Jonas!«
    Endlich drehte er sich um.
    »Du spinnst«, sagte sie. »Ganz wunderbar übrigens. Aber soll ich dir was sagen: Du brauchst Hilfe von einem Psychologen. Oder vielleicht sollten wir mal wieder nach Oslo fahren. Ein langes Gespräch mit Benjamin würde dir guttun. Wenn sie ihm nur bald Ester aus Afrika zurückbringen! «
    Jonas lächelte, während Nora weiterlas.
     
»Voraussetzung für solche Lotterien wäre, dass Konten für jede gefährdete Tier- und Pflanzenart eingerichtet und deren Nummern in Katalogen veröffentlicht werden, natürlich alles so, dass es im Netz leicht zugänglich ist. Man könnte solche Lotterien weltweit für die verschiedenen bedrohten Arten veranstalten, etwa für alle Katzen-, Eulen- oder Bärenarten, oder im noch größeren Maßstab mit Ziehungen alle zwei Jahre für ganze Ordnungen wie Raubtiere, Gänsevögel oder Paarhufer. Alle Lotterien würden natürlich im Fernsehen übertragen, und man darf sicher sein, dass die Künstlerinnen und Künstler eines Landes sich darum reißen werden, in ihren eleganten Kleidern und schicken Anzügen über den roten Teppich zu schreiten, nicht nur hier bei uns, sondern überall auf der Welt. In kleinerem Rahmen kann natürlich überall und jederzeit gewettet werden, etwa darauf, wie viele Tiere es von einer besonders gefährdeten Art noch gibt, schon weil wir immer wissen sollten, wie viele Exemplare davon noch übrig sind.
Zum Abschluss noch einmal die alles entscheidende Frage: Besteht ein Grund zu der Annahme, dass die Weltbevölkerung für ein solches Spektakel zugunsten bedrohter Tier- und Pflanzenarten zu gewinnen wäre? Meine Antwort lautet: Wenn ganze Mittagspausen und Kneipenabende mit Diskussionen darüber verbracht werden können, wie wahrscheinlich es ist, dass elf Männer im Laufe von zweimal 45 Minuten häufiger einen Ball ins gegnerische Tor schießen als umgekehrt – warum sollte es dann nicht auch vorstellbar sein, dass Menschen sich dafür interessieren, wie viele Löwen oder Schimpansen es auf der Welt noch gibt, vor allem dann, wenn sie dabei auch noch ein paar Kronen verdienen und womöglich ein wenig Lob, Ruhm und Ehre bei ihren Freunden und Bekannten einheimsen können. Stellen wir uns vor, sie würden bei dem Spektakel in ihrem eigenen Land und weltweit, im globalen Dorf, auch noch etwas Vernünftiges lernen! Und dann die Gewinner: Manche würden reich, andere für eine Weile landesweit berühmt. ›Der Typ ist total krass. Er hat bei Weichtieren, Gliedertieren und Wirbeltieren abgeräumt und sich ein Elektro-Auto und eine zweistöckige Wohnung in Homansbyen dafür gekauft!‹ – Warum nicht? Faunamillionäre wären schließlich etwas Besonderes.«
     
    »Nimm’s mir nicht übel, aber das klingt jetzt verdächtig nach Blog oder Schülerzeitung.«
    »Du hast ja noch gar nicht alles gelesen.«
    »Und du kannst das unmöglich erst heute geschrieben haben. Oder hast du im Netz gewildert und dir was zusammengebastelt?«
    Jonas lächelte, aber antworten wollte er anscheinend nicht. Also las Nora weiter:
     
»Das mag alles klingen, als wollte ich mich mit dem Teufel einlassen. Aber ich möchte mich nur mit der menschlichen Natur einlassen. Ich stelle mir nur vor, das öffentliche Dauergerede könnte einen neuen Inhalt bekommen. Die Form ist mir dabei vollkommen egal. Was soll’s, wenn erwachsene Menschen sich gelegentlich wie Affen oder Babys aufführen? Tatsache ist, dass wir von beiden abstammen. Und wir brauchen irgendeine Art von Wettstreit, denn die Menschen wetteifern gern. ›Wie viele Tiger gibt es noch auf der Welt? Und wo leben sie? Präzise Antworten bitte, sonst sind Sie aus dem Spiel … Ja, richtig, gut … Und was ist nötig, damit diese Tiere überleben? Konzentration, bitte, Sie haben nur diese eine Chance … Was genau können wir tun, um die

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