209 - Die fliegende Stadt
wurde, durfte auch Matt seine hängende Position verlassen. Zwei Sowosamas zogen ihm eine metallene Schlaufe um den Hals, banden ihm die Hände auf den Rücken und befestigten beides an einer Stange, die sie ihm ins Kreuz drücken. So verpackt durfte er sich neben Jakk Son frei bewegen.
Der Safaariman lud ihn zu einem Rundgang ein, plauderte munter von sich und seinen Gen-Experimenten – ganz so, als wäre dies ein harmloser Vergnügungspark und er der Touristenführer.
»Sie mögen denken, dass ich verrückt bin und mir neben meiner Forschung zum Zeitvertreib einen Skurrilitätenzoo halte«, sagte er und zeigte mit seinem Stock auf die vielen Boxen, die sich rechts und links der großen Halle aneinanderreihten. »In Wahrheit dient dies aber einem ernsten und rein wissenschaftlichen Zweck. Ich würde meine Arbeit in aller Bescheidenheit sogar als überlebenswichtig für die Menschheit bezeichnen! – Schauen Sie hier!«
Er war vor einem rundum verglasten Käfig stehen geblieben, in dem sich faustgroße Insekten tummelten, die Matt auf den ersten Blick für Fleggen hielt. Auf den zweiten waren es eher Mücken – mit Saugrüsseln wie Kanülen. Ein Schauder lief über seinen Rücken.
»Tsetses!«, erklärte Jakk Son. » Trypanosoma brucei gambiense, um ganz genau zu sein. Sie übertragen den Erreger der westafrikanischen Schlafkrankheit. Die Plage Afras!« (ihre Entstehung schildert MADDRAX 208 »Nach der Eiszeit«)
»Für eine Plage scheinen sie aber recht selten vorzukommen«, warf Matt ein. »Ich bin draußen jedenfalls noch keinen begegnet.«
Der hoch gewachsene Schwarze spie aus; er schien verärgert. »Früher kamen sie in todbringenden Wolken vor, die ein ganzes Dorf binnen Minuten ins Verderben stürzen konnten. Bevor dieser weiße Kaiser auftauchte und die Tsetses von einer Wolkenstadt aus bekämpfte, wo er vor der Plage sicher war. Aber das ist der falsche Weg! Die Tsetses werden wiederkommen! Die ersten Exemplare sind schon immun gegen de Roziers Gift. Und dann hilft nur noch meine Methode!«
»Und die wäre…?«
Son klopfte sich auf die Brust seines Zebra-Anzugs.
»Wussten Sie, dass Tsetsefliegen für alles schwarzweiß Gestreifte blind sind? Die Natur gibt uns immer eine Chance, wir müssen sie nur nutzen. Und genau das versuche ich mittels meiner Forschung.«
Er blieb an einem vergitterten Gehege mit Albino-Affen stehen. Sofortiges Gekreische und gebleckte Zähne verrieten, dass diese Tiere den Mann neben Matt zu hassen gelernt hatten. Mit roten Augen blitzten sie ihn an, stellten sich auf die Hinterbeine und starteten abrupte Scheinattacken.
Matt sondierte so unauffällig wie möglich die Lage. Ein orientierungsloser Fluchtversuch, noch dazu gefesselt, wäre aussichtslos gewesen. Er brauchte einen Plan, musste erst einmal herausfinden, wo sich Rulfan aufhielt.
»Aber Ihre Tiere sind alle weiß«, stellte er fest. »Wie wollen Sie da Streifen erzielen?«
»In der Tat. Die Albinos sind der schwierigste Teil der Experimente. Sie zu züchten ist mit der dürftigen Ausrüstung mehr Glücksspiel als das Ergebnis disziplinierter Forschung. Aber natürlich habe ich auch schwarze Exemplare in meiner Zucht. Die Pigmente zu verfärben ist einfach im Vergleich zu ihrer Entfärbung. Und da wäre noch ein Punkt, der mich veranlasst, meine weißen Freunde hier zu bevorzugen…«, Jakk Son spazierte weiter, »… schließlich kann auch die ambitionierteste Forschung nicht allein von der Vision ihrer Bedeutung leben. Aber lassen Sie mich Ihnen erst meine Lieblinge zeigen, bevor wir dieses Thema vertiefen.«
Was Matt in der nächsten Halle zu sehen bekam, waren Zebra-Affen, Zebra-Hörnchen, Zebra-Geparden und Zebra-Rinder. Sicherlich ein wirksamer Schutz gegen die Tsetse-Fliegen – aber Matt bezweifelte, dass der zwielichtige Forscher wirklich nur das Wohl der Tiere im Sinn hatte. Er würde sicher auch vor Menschenversuchen nicht Halt machen – wenn er Sie nicht längst schon durchführte.
Nachdem ihn Jakk Son auch noch durch seine »Giftküche« geführt hatte, in der er allerlei pflanzliche Mittel, Opiate zur Betäubung, aber auch neurotoxische Insektizide aus Chrysanthemenblüten extrahierte, lud er zu einem Nachmittagsimbiss auf der Veranda des Haupthauses ein. Auch Rulfan war anwesend. Seine körperliche Verfassung schien deutlich besser, sein Blick aber wirkte abwesend. Matt versuchte sich über Augenkontakt mit ihm zu verständigen, doch der Albino reagierte nicht.
»Was haben Sie ihm
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