209 - Die fliegende Stadt
Händen sprossen spitze Stacheln, bohrten sich in sein Fleisch. Blut rann aus Dutzenden winziger Wunden.
Aruula leckte es ab und zog dabei mit ihrer Zunge weitere Kratzer.
Ein Strudel aus Schwärze senkte sich herab und fraß alle Farben. Aruula verwandelte sich in ein Gespinst aus Dornenranken, das sich in seinen Körper senkte und tausendfachen Schmerz entfachte!
Matt schlug um sich. Ein Schrei brach sich Bahn und trug ihn zurück in die Wirklichkeit. Er wollte aufspringen, traf jedoch auf Widerstand. Er streckte die Arme zur Seite aus, doch überall waren Wände in der Dunkelheit.
Matt versuchte ruhig zu atmen und die Sache logisch anzugehen. Was war passiert? Wo befand er sich?
Er ordnete seine Gedanken, auch wenn ihm der Kopf dröhnte. Der Kampf mit Jakk Son. Der Blasrohr-Pfeil, der ihn außer Gefecht gesetzt hatte. Danach hatte man ihn eingesperrt.
Er versetzte sein Gefängnis in schaukelnde Bewegung. Eine Kiste also, vermutlich freistehend.
Der nächste Gedanke galt seinem Freund. »Rulfan! Hörst du mich?«, rief er halblaut, erhielt aber keine Antwort. Draußen blieb alles ruhig. War Jakk Son mit dem Albino schon auf dem Weg zur Wolkenstadt?
Je mehr Matt sich konzentrierte, umso heftiger wurde das Pochen in seinen Schläfen. Rasender Kopfschmerz peinigte ihn. Ein Zittern wie nach drei Tagen Saufgelage lief durch seinen Körper.
Es ist so kalt.
In seine Gedanken mischte sich ein Geräusch, das von draußen kam. Ein Winseln vielleicht. Chira?
»Chira, bist du das?«, flüsterte Matt.
Die Lupa antworte mit einem leisen Fiepen.
Matthew schöpfte Hoffnung. Wenn Chira unbemerkt zu ihm gelangt war, standen keine Wachen in der Nähe.
Vorausgesetzt, sie war nicht eingefangen worden und lag verschnürt neben der Kiste – oder steckte in einer ähnlichen.
Das galt es herauszufinden.
»Chira«, wisperte Matt, »ich bin hin drin. Komm, hol mich raus!«
Natürlich wusste er, dass der Lupa das kaum gelingen würde; sie war zwar ein schlaues Tier, konnte Lassie aber nicht den Wassernapf reichen.
Dann ein Klackern: Wolfskrallen, die über Betonboden tappten. Ein Scharren außen am Holz.
Okay, Chira war frei. Dann konnte er es wagen, etwas Lärm zu veranstalten.
Matt richtete sich auf, so weit es ging, und versetzte die Kiste, indem er sich vor und zurück schwang, in Bewegung.
Die Holzkonstruktion ächzte und quietschte, die Nägel, mit denen sie gezimmert war, lockerten sich.
Nach fünf Minuten hatte Matt den Eindruck, dass die Kiste nun instabil genug war, um es zu wagen: Er verdoppelte seine Anstrengungen, bis sie schließlich kippte.
Der Aufprall ließ eine schmale Lücke entstehen, durch die Licht in die Kiste drang. Matt drehte sich in seinem engen Gefängnis und hämmerte die Stiefel gegen Holz. Mit jedem Tritt erweiterte sich der Spalt – bis sich schließlich der Deckel löste. Der Weg war frei!
Als Matt durch die Öffnung in eine Art Lagerraum kroch und sah, in welchem Zustand sich die Wölfin befand, erschrak er. Ihr schwarzes Fell war schmutzig und verklebt, und in ihrem linken Hinterlauf war ein blutiger Riss, der sie humpeln ließ. Doch sie wedelte freudig mit dem Schwanz.
»Feines Mädchen«, lobte er sie, klopfte ihr die Flanke und blickte prüfend um sich.
Eine stählerne Tür, die halb offen stand, führte ins Freie. Als Matt vorsichtig hinaus spähte, sah er einen Sowosama-Krieger mit einer Schale in der Hand auf den Lagerraum zusteuern. Die Sonne stand hoch am Himmel und drängte die düsteren Aschewolken über den Vulkangipfeln beiseite. Es musste Mittag sein.
Matt fasste an seine Beintasche. Sie war leer. Natürlich; Jakk Son hatte ja den Blaster. Also griff Matt nach dem Kistendeckel und drückte sich hinter der Tür gegen die Wand.
Ein Schlag auf den Hinterkopf des Jägers genügte.
»Schade um das Essen«, kommentierte Matt die zerbrochene Schale, aus der sich Wasser und Maisbrei über den Boden verteilten.
Mit Chira schlich er zum Haupthaus und der Veranda. Auf der Anlage liefen nur wenige Sowosamas herum und verrichteten zumeist irgendwelche Aufräumarbeiten oder Fütterdienste. Trotzdem musste Matt sich beeilen. Der Bewusstlose würde nicht lange unentdeckt bleiben.
Das Haus war ruhig und verlassen. Dass sich keiner der Schwarzen hier drinnen aufhielt, machte Matt sicher, dass Jakk Son auf dem Weg zur Wolkenstadt war und Rulfan als Überraschungspaket für diese Mistress Crella Dvill im Gepäck dabei hatte.
Matt verließ das Gebäude durch den Hinterausgang und
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