2094 - Der Mutant und der Zwilling
die oberste Ebene.
Doch im Schacht erwartete sie bereits die nächste Bewährungsprobe - zugleich die härteste.
Mondra begegnete zum ersten Mal sich selbst. Es war ein bizarrer und äußerst frustrierender Moment, als ihr von oben einige Alpha-Ingenieure in Begleitung einiger Roboter entgegenkamen. Mondras Blick wurde wie magisch angezogen, hastig suchte sie nach Unterschieden, nach irgend etwas, das ihr sagte, daß es nach wie vor nur eine einzige Mondra gab.
Diejenige, die Perry Rhodan geküßt hatte. Zum Glück bist du jetzt nicht hier und mußt das mit ansehen, dachte sie. Das dachte sie nicht das erstemal.
So schmerzhaft der Verlust von Delorian gewesen war, sie hatte seine Verwandlung und seinen Abschied selbst miterlebt und Zeit gehabt, sich von ihrem Kind zu lösen und den Verlust zu akzeptieren. Und doch waren immer wieder Verbitterung und sogar Haß in ihr aufgestiegen, obwohl sie sich dagegen gewehrt hatte.
Aber wie wäre Perry damit umgegangen? Er hatte schon so viele Verluste erlitten, und diesmal mußte er sich betrogen und ausgenutzt vorkommen. Es war darum für den Aktivatorträger sicher besser zu verkraften, daß er sein Kind niemals gesehen hatte und keine innige emotionale Bindung hatte aufbauen können.
Die Doppelgänger kamen immer näher, und Mondra zwang sich, den Blick abzuwenden. Sie wußte nicht, wie Sich Alpha-Ingenieure zueinander verhielten - aber sicher starrten sie sich nicht an.
Das brachte Mondra auf das nächste Problem: Äußerlich ging sie wohl durch. Aber was mußte sie tun? Grüßten sich die Klone? Redeten sie miteinander? Gifteten sie sich vielleicht sogar aus Konkurrenzneid an? Startac hatte behauptet, daß die Alpha-Ingenieure sich eher wie Maschinen verhalten hätten; nur auf die Arbeit fixiert, ohne eine Persönlichkeit zu zeigen. Wenn das stimmte, bestand sie diese Prüfung leicht.
Wenn nicht...
Mondra überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Äußerlich behielt sie ihr starres „Pokerface" bei; als Profi war sie darin perfekt geschult. Aber innerlich sah es ganz anders aus. Vor allem verabscheute sie die Klone, je näher sie kamen.
Besaßen sie solch eine Ausstrahlung, oder war es nur ein instinktives Gefühl? Die ehemalige TLD-Agentin wußte es nicht. Aber der Abscheu steigerte sich bald zu Ekel.
Die frisch rasierte Kopfhaut juckte, und Mondra konnte sich gerade noch beherrschen, um zu vermeiden, sich zu kratzen. Zum Glück war ihre Haut nicht so hell, daß man gleich auf Anhieb hektische rote Flecken sehen konnte.
Das Jucken wurde immer schlimmer. Es steigerte sich zu einem Kribbeln den Nacken hinunter, und auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut.
Es geht schief, dachte die ehemalige Liga-Agentin entsetzt.
*
Sie war so auf sich konzentriert, daß der Terranerin beinahe entging, wie in diesem Moment die ganze Truppe an ihr vorbei nach unten schwebte.
Niemand sprach sie an. Niemand schaute sie an. Schweigend passierten die Mondra-Klone und das Original einander.
Innerlich sprach Mondra ein Stoßgebet. Sie hatte ein imaginäres Bild vor sich, wie sie den Atem in einem lauten Uff ausstieß und sich erleichtert den Schweiß von der Stirn wischte - um sich anschließend ausgiebig den juckenden Kopf zu kratzen, kratzen, kratzen ... und die Erleichterung zu fühlen.
Äußerlich blieb die ehemalige Agentin völlig unverändert.
Schließlich hatte sie die erste Hürde bewältigt und erreichte die Werkstatt der Alpha-Ingenieure. Doch nun lag das Schwierigste erst vor ihr.
An die Begegnungen mit den Mondra-Klonen war sie bereits gewöhnt; keiner schenkte dem anderen Beachtung. Dennoch durfte das Original keinen Fehler machen. Mondra hatte die Lagepläne zwar im Kopf, die Myles aus dem Infonetz der fliegenden Stadt gezogen hatte. Aber es war ein Unterschied zwischen Holo und Realität; sie hatte schließlich keine Zeit für einen virtuellen Probelauf gehabt. Mondra durfte sich keinen Orientierungsfehler erlauben, sonst flog sie sofort auf.
Die Terranerin bewegte sich zielstrebig durch das Prisma. Sie schätzte, daß etwa dreißig Klone in dieser Sektion zugange waren. Hoffentlich kümmerte sich noch niemand um die Energieversorgung!
Doch je weiter sie vordrang, desto weniger Ingenieure und Roboter begegneten ihr. Schließlich war sie ganz allein und der erste Hüllfeldprojektor nicht mehr fern.
So unauffällig wie möglich schaute sie sich um. Niemand war in der Nähe. Alles bestens.
Mondra öffnete den Beutel und holte eine Granate nach der
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