2098 - Hinter dem Kristallschirm
des sogenannten Göttlichen Imperiums von SEELENQUELLS Gnaden.
Optische und ortungstechnische Informationen ergänzten einander. Alle Emissionen zusammengenommen, bewegten sich innerhalb des Kugelsternhaufens mehr als zwei Millionen Raumschiffe aller Größenordnungen; das Gros waren meist kleine Privatraumer, Walzen der Springer oder Frachter anderer hier ansässiger Völker wie der Scüs, der Zaliter oder diverser Arkon-Kolonisten. Seit einer Stunde herrschte höchste Spannung und Konzentration: Um 15 Uhr waren 60.000 Posbi-Fragmentraumer im Sektor Arkon „materialisiert" - was in diesem Fall nichts anderes hieß, als dass die Schiffe ihre Relativfelder desaktiviert hatten und abrupt an Ort und Stelle erschienen waren. Sie stellten eine unverhüllte Drohung gegen SEELENQUELL dar auch wenn es ihnen nach derzeitigem Stand der Kenntnisse nicht möglich war, den Kristallschirm zu überwinden. 10.000 auf positronischen Betrieb umgerüstete Fragmentraumer waren ebenso wie die vielen zehntausend noch rein syntronischen bei der Hundersonnenwelt und den anderen Dunkelwelten verblieben.
Grüne Positiv-Icons schwebten in dem holographischen Blickfeld Crittas, das ihren Kopf umgab, und signalisierten volle Funktionsbereitschaft der Computer-Kerne. Die hufeisenförmige Arbeitsstation der knapp einundvierzigjährigen Leiterin der Abteilung Positroniken-Syntroniken befand sich auf der Galerie in halber Raumhöhe der Hauptzentrale, die der Halbkreisrundung folgte, genau über dem Zugang zu den Computer-Kernen. Acht DYNASYN-3499/PV-Netzsyntroniken wurden von der dezentralen DeSINA-8000-Positronik mit ihren Knotenrechnern ergänzt. Nach einem Jahr Aufenthalt auf der LEIF kannte die schlanke rothaarige Frau die Systeme längst in- und auswendig, war mit dem Schiff inzwischen ebenso verwachsen wie die übrige 4000köpfige Besatzung.
Reginald Bull, Julian Tifflor und Alaska Saedelaere hatten auf den Besuchersitzen an der Rückwand des Kommando-Podestes Platz genommen. Pearl Ten Wafer stand wie üblich vor ihrem Kommandantensitz, ihr gegenüber saß Rock Mozun unter der golden blitzenden Haube. SERT - Simultane Emotio- und Reflex-Transmission. Geräte dieser Art waren vor mehr als einem halben Jahr in der LEIF und ihren Schwesterschiffen installiert und mit dem positronischsyntronischen Rechnernetz verbunden worden.
Die vier Arbeitsstationen entlang der Podestrundung waren zwei weiteren Piloten - Claudio Rminios und Klyna Valerys - sowie der Ortungs- und Navigationsstation vorbehalten. Backbords an der Außenseite von COMMAND befand sich die Verbindungsstation zur Energie- und Maschinenzentrale, steuerbords die zur Feuerleitzentrale. In einer Reihe von Holofenstern schwebten vor Critta die Darstellungen der Standleitungen zu den Abteilungsleitern. Ihr Blick fiel auf den stets auf Sauberkeit bedachten A. A. Cordable; groß, wuchtig, schwergewichtig, die von blondem Haarkranz umgebene Halbglatze vom PsIso-Netz bedeckt. Neben ihm war der Swoon Szam-Soon abgebildet.
Unwillkürlich lächelnd entsann sich Critta, wie sehr es die kleinen Mikrotechniker in Rage versetzte, wenn sie, vor allem von Terranern, mit Gurken verglichen wurden. Eine Herablassung, die gleich in zweifacher Weise traf, hatte man sich mit den Swoons doch zunächst vor langer Zeit - bevor die entsprechenden Hypnoschulungen absolviert waren - per Translator verständigt. Und wie bei solchen Geräten üblich, waren anfängliche Übersetzungsdiskrepanzen möglich: Das westslawische Gurke nämlich ging vom mittelgriechischen dgouros über das griechische doros - auf die Bedeutung „unreif" zurück, weil Gurken nun mal grün geerntet wurden.
Wer Swoons also als Gurken oder gurkenähnlich umschrieb, bezeichnete sie somit, vom etymologischen Ursprung her gesehen, als „Unreife"... Und dass sie sich das verbaten, war mehr als nur selbstverständlich. Ganz abgesehen vom völlig unangebrachten Vergleich eines hochintelligenten Lebewesens mit einem Nahrungsmittel. Crittas Blick wanderte zu den Ortungs- und Tasterdaten weiter. Die meisten stammten aus der direkten Umgebung des Arkon-Systems und erfassten die Posbi-Schiffe. Immer wieder wechselten ganze Verbände in den Schutz der Relativfelder, tauchten an anderer Stelle auf und rochierten entlang der Kristallschirm-Oberfläche, ohne jedoch Strukturschleusen entdecken zu können.
Ein oft wiederholter Ausspruch Tautmo Aagenfelts kam der Hyperdim-Informatikerin in den Sinn: „Es gibt weder prinzipiell noch funktionell einen
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