21 - Die achte Flotte
Michelle, während sie sich in einen der angewiesenen Sessel niederließ, war unzweifelhaft eine der größten Untertreibungen, die sie in letzter Zeit gehört hatte.
Archer wartete, bis alle Vorgesetzten Platz genommen hatten, dann erst setzte er sich. Michelle beobachtete aus dem Augenwinkel, wie ihr Flaggleutnant den Minicomputer im Kasten berührte und Shoupe fragend anblickte. Mit einem Nicken gab die Stabschefin ihr Einverständnis, und Archer nahm den Minicomputer heraus und schaltete ihn auf Aufzeichnung.
»Heute Abend speisen wir mit Baronin Medusa und Mr. Van Dort, Mylady«, begann Khumalo. »Bei dieser Gelegenheit werden sie und Mr. O’Shaughnessy − und Commander Chandler, mein Nachrichtenoffizier − genauso gespannt sein wie ich zu hören, was Sie uns über die Lage zu Hause und dieses vorgeschlagene Gipfeltreffen zwischen Ihrer Majestät und Pritchart erzählen können. Und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass die Baronin und Mr. O’Shaughnessy Sie recht detailliert in die politische Seite der Vorfälle hier im Sternhaufen einweisen werden. Im Quadranten, meine ich.«
Seine Lippen zuckten ärgerlich, aber nur kurz, als er sich verbesserte, und Michelle musste lächeln. Ohne Zweifel mussten sich alle Beteiligten an die neue Bezeichnung noch gewöhnen, doch wie sie zu ihrem Stab bereits gesagt hatte, war es wichtig. Worte besaßen ihre ganz eigene Macht, und immer daran zu denken, die richtige Bezeichnung zu benutzen, trug dazu bei, jedem Einwohner des Talbott-Quadranten zu versichern, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, als man das Sternenkönigreich um den Anschluss ersuchte.
Natürlich hatten die Leute es sich alles ein wenig anders vorgestellt als es dann tatsächlich gekommen war. Nicht dass sich jemand in Talbott über das Endergebnis beschweren würde − jedenfalls nicht diejenigen, die den Anschluss von vornherein für eine gute Sache gehalten hatten. Einige hier, zum Beispiel die irre Nordbrandt auf Kornati, dachten offenbar anders, und Michelle zweifelte nicht daran, dass die Talbotter, die sich weiterhin beklagten, mit dem »Endergebnis« zutiefst unzufrieden waren.
Die gesamte Debatte über den Anschluss hatte jedoch auch für das Sternenkönigreich ernste innenpolitische Fragen aufgeworfen, und die Antworten auf diese Fragen bestimmten wie es weiterging. Der erste Vorschlag war nicht von Manticore gekommen, und mehr als ein Parlamentsabgeordneter hielt den Anschluss für eine entsetzliche Idee. Michelle hatte damals in vielen Punkten jenen zugestimmt, die die Idee ablehnten. Obwohl sie immer der Meinung gewesen war, dass die Vorteile schwerer wogen als ihre Vorbehalte, blieben ihr dennoch große Bedenken, was einige Aspekte des Antrages anging.
Das Sternenkönigreich von Manticore existierte seit vierhundertfünfzig Jahren, in denen es gewachsen war und seine eigene Identität und galaktische Stellung entwickelt hatte. Zumal für eine Sternnation mit so kleiner Bevölkerung genoss es einen unglaublichen Reichtum, und genau die Bevölkerungszahl war der springende Punkt: Für eine Multi-Sonnensystem-Sternnation war sie klein. Außerdem war es politisch stabil mit einem System rechtsstaatlicher Prägung − trotz gelegentlicher dunkler Punkte wie der katastrophalen Regierung High Ridge und schier unglaublich heftigen politischen Grabenkämpfen. Manticoraner waren genauso wenig Kandidaten für die Heiligsprechung wie andere, und es gab jene − wie High Ridge, Janacek, Cousin Freddy oder die Earls von North Hollow −, die rücksichtslos bereit waren, das Gesetz zu umgehen und sogar offen zu brechen, um ihre Ziele zu erreichen. Doch wenn sie gefasst wurden, waren sie vor dem Gesetz genauso haftbar wie jeder andere, und das Sternenkönigreich erhob, was seine Regierung anging, sowohl die Transparenz als auch die Verantwortlichkeit zu hohen Gütern. Gleiches galt für ordnungsgemäße, rechtsgetreue Machtwechsel selbst zwischen den bittersten politischen Feinden durch den Wahlprozess, und es verfügte über eine hochgebildete, politisch aktive Wählerschaft.
Darum hatte Michelle der Gedanke so bestürzt, mehr als ein Dutzend Sonnensysteme zusätzlich aufzunehmen, deren Durchschnittsbevölkerung die des Doppelsternsystems Manticore zumindest erreichte. Vor allem, wie arm − und (zumindest nach manticoranischen Standards) schlecht ausgebildet − alle diese potenziellen Neubürger waren. Einige Manticoraner waren schon unruhig geworden, als San Martin, die besiedelte Welt
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