21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
gestikulierten. Sie schienen durch irgend etwas in Erregung versetzt worden zu sein. Je näher wir ihnen kamen, desto vernehmlicher wurde das, was sie miteinander sprachen. Schließlich befanden sich nur noch zwei aufeinander liegende Säcke zwischen uns und ihnen, und da hörte ich ganz deutlich einen von ihnen sagen:
„Nein, wir dürfen jetzt nicht zu ihm hinunter. Ihr wißt, es steht auf Ungehorsam der Tod!“
„Aber so ein unerwartetes Vorkommnis macht eine Ausnahme! Vielleicht bestraft er uns dann grad darum, daß wir es ihm nicht gemeldet haben!“
„Ich gebe dir recht“, stimmte ihm der dritte bei: „Was gehen uns überhaupt diese Ghasaihunde an? Es scheint ja nur auf sie abgesehen gewesen zu sein!“
„Ich befürchte, auch auf uns“, entgegnete der zweite.
„Warum denkst du das?“
„Weil die Asaker sich nicht entfernen. Sie halten ja den ganzen Platz so umschlossen, daß kein einziger von uns sich hindurchschleichen kann. Ich befürchte sehr, daß ihre Absicht nicht bloß auf die Ghasai, sondern auch auf uns gerichtet ist. Ich schlage also trotz seines strengen Verbots doch vor, den Säfir zu benachrichtigen.“
Ging der Vorschlag dieses Mannes durch, so wurden wir bemerkt, wenn und wo es keinen Platz für uns, uns zu bewegen, gab; wir mußten ihnen zuvorkommen. Ich flüsterte dem Hadschi also zu:
„Pack du den links mit beiden Händen an der Gurgel, und laß ihn nicht schreien; es muß alles ganz still verlaufen. Ich nehme die beiden andern.“
„Töten wir sie?“ erkundigte er sich.
„Wenn es zu vermeiden ist, nein. Knebel und Stricke von den Paketen sind hier ja mehr als genug zu haben.“
Wir schoben uns hinter den Säcken hervor, und als Halef von hinten nach dem von ihm bezeichneten Schmuggler griff, schlug ich zu gleicher Zeit den neben diesem sitzenden mit der Faust nieder und legte dann dem dritten die Hände um den Hals; er bewegte krampfhaft die Arme und die Beine, bekam auch einen Hieb an die Schläfe und lag dann still. Halef hielt den seinen, der nicht bewußtlos war, an der Kehle fest; ich band den Mann mit den Strickenden, deren mehrere in der Nähe lagen, und hielt ihm, als er dann von dem Hadschi losgelassen wurde, das Messer mit der Drohung auf die Brust:
„Gib keinen Laut von dir, sonst ersteche ich dich! Halef, mach aus seinem Turbantuch drei Knebel, die wir ihnen in den Mund binden, damit sie nicht laut werden können!“
„Mit größter Wonne, Effendi!“ antwortete der Hadschi. „Wenn der Kerl das Maul nicht gutwillig öffnet, so werden ihm – – –“
Er hielt inne; sein Blick war auf die andere Wand gefallen, die wir noch nicht beachtet hatten; da leuchteten seine Augen, und er fuhr fort:
„Hamdullillah! Dort sehe ich meine Karbatsch und auch das Messer! Ich habe die Peitsche wieder, und nun ist die Eroberung sämtlicher Ruinen Babylons und der ganzen Erde für uns nur eine Kleinigkeit!“
Er nahm zunächst die liebe Peitsche an sich; dann erst schnitt er das Turbantuch des Paschers in Stücke und würgte ihm eines davon in den Mund. Auch die beiden anderen wurden gebunden und geknebelt, und dann, als dies geschehen war, konnten wir unsere Aufmerksamkeit nach außen richten.
Was wir sahen, war im höchsten Grad interessant. Uns sehr vorsichtig, um nicht selbst gesehen zu werden, dem Ende des Ganges nähernd, bemerkten wir, vielleicht dreißig Schritte von uns entfernt und neben dem Trümmerweg, welcher nach unten führte, fünfzehn Kerle, die sich hinter den dort liegenden Mauerbrocken versteckt hatten. Sie wollten nicht von den Soldaten gesehen werden, welche noch dieselbe Stellung innehatten, die ihnen von mir und dem Kol Agasi angewiesen worden war. Dieser letztere saß im Teilpunkt der Halbkreislinie und beobachtete die Höhe, auf welcher wir uns befanden. Vor ihm lagen zwei Reihen Männer, lang ausgestreckt und von einigen Soldaten besonders bewacht. Ihre Haltung ließ annehmen, daß sie gefesselt seien; ich zählte fünfzehn Personen und mußte in ihnen also die Ghasai-Beduinen vermuten, die ich sonst nirgends sah. Die Entfernung war zu groß, als daß ich ihre Kleidung oder gar ihre Gesichtszüge unterscheiden konnte, aber wahrscheinlich waren sie es. Wie mochte Amuhd Mahuli es fertig gebracht haben, sie in seine Gewalt zu bekommen? Halef sah, wohin meine Augen gerichtet waren; er hatte natürlich dieselbe Beobachtung gemacht und sagte zu mir:
„Es sind eine Menge Asaker da unten. Wie kommen die hierher? Du hast mir überhaupt noch
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