21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
ernst; „ein solcher Held wie du ist uns sehr notwendig, denn die Kugeln werden massenhaft herüber und hinüber fliegen!“
„Fliegen – – –? Nach allen Seiten – – –?“ fragte der Feigling erschrocken.
„Ja.“
„So – so – – – so – – – ja, so gibt das einen sehr – – – sehr schönen Kampf, und es tut mir außerordentlich leid, daß ich mich nicht daran beteiligen kann.“
„Warum nicht?“
„Ihr seht doch, daß ich vollständig unbewaffnet bin; ich bin also gezwungen, hier zu bleiben, bis ich die Flinte und die Pistolen, welche man mir abgenommen hat, wiederbekommen habe.“
„Oh, was das betrifft, so werden sich schon Waffen für dich finden, und wenn nicht, so leiht dir mein Effendi eine seiner Drehpistolen.“
„Das geht nicht, denn ich weiß nicht, wie man mit solchen Pistolen schießt.“
„Er zeigt es dir!“
„Nein! Ich habe das Gelübde getan, mich nur meiner eigenen Waffen zu bedienen. Ihr seht also ein, daß ich euch nicht eher helfen kann, als bis ich diese zurückbekommen habe!“
„Das tut uns leid, denn es ist schade, wirklich jammerschade um dieses wunderschöne, tapfere Gelübde. Was sagst du dazu, Effendi?“
„Daß ich, wenn ich nächstens in Persien bin, von dieser seiner Tapferkeit und von dem Gelübde, welches ihn hindert, tapfer zu sein, erzählen werde. Kommt!“
So gern ich mich in den Räumen umgeschaut hätte, ich mußte doch für jetzt darauf verzichten. Ich leuchtete, und wir gingen aus Nummer Drei nach Nummer Eins, wo wir die Stufen sahen, welche zu dem Gang emporführten. Weil zu vermuten war, daß sich da oben die Vertrauten des Säfir befinden würden, mußte ich das Licht auslöschen. Wir tasteten uns die Treppe hinauf, ich voran, dann Halef und der Perser hintendrein. Als wir oben ankamen, war es vollständig dunkel in dem Gang, aber weit vor uns gab es einen hellen Schimmer. Das war der Eingang, welcher offenstand. Ich wollte weitergehen, fühlte aber, daß mir Gegenstände im Weg lagen; es waren, wie ich mich tastend überzeugte, lauter Säcke, Kästen und Pakete, also die hereingeschafften Schmuggelwaren.
„Ich möchte wissen“, flüsterte mir der Hadschi zu, „warum man durch diese Sachen den Gang so unwegsam gemacht hat!“
„Kannst du dir das nicht denken?“
„Nein. Warum hat man sie nicht gleich die Treppe hinuntergeschafft?“
„Weil nicht alle Mitglieder der Schmuggelbande die da unten liegenden Räume und den Weg, der zu ihnen führt, kennen dürfen. Die meisten von ihnen wissen wahrscheinlich gar nicht einmal von dem Gang etwas; sie dürfen die Ruine nur bis zu einem gewissen Punkt besteigen, bis zu welchem sie die Pakete tragen. Wenige andere kennen den Gang, weiter nichts, und holen die Sachen herein, und endlich sind es jedenfalls nur einige Personen, die von den untern Kammern wissen; diese schaffen die Waren hinunter und werden wohl auch nach Bedürfnis in andere Geheimnisse eingeweiht. So denke ich es mir, und so wird es wohl auch sein.“
„Wie verhalten wir uns? Steigen wir über diese Menge Sachen, so erregt das Lärm.“
„Ich fühle soeben, daß man hier links an der Mauer hin einen schmalen Pfad gelassen hat; den benutzen wir, nämlich du und ich; der Pischkhidmät Baschi aber bleibt hier zurück und wartet, bis wir ihn holen.“
„Wann werdet ihr wiederkommen?“ fragte der Genannte.
„Das kann ich jetzt nicht wissen.“
„Es wird doch nicht sehr lange dauern!“
„Wird dir etwa bange?“
„O nein, Effendi! Du kennst doch meine Tapferkeit zur Genüge!“
„Ja. Also warte hier recht tapfer. Wenn wir kommen, sind wir da; eher nicht!“
„Bära'i Khuda – um Gottes willen, wenn nun inzwischen hier etwas geschieht!“
„Wir bewundern deinen Mut und wissen also, daß du dich tapfer verteidigen wirst.“
Nun drängten wir uns zwischen der Mauer und den Gepäcksachen leise und langsam dem Eingang zu. Je näher wir demselben kamen, desto heller wurde der schon erwähnte Schein; wir sahen, daß es draußen inzwischen Tag geworden war. Die Zeit war schneller vergangen, als wir unten hatten bemerken können.
Da war es mir, als ob ich sprechen hörte. Ich blieb stehen und lauschte. Ja, es waren halblaute Stimmen, welche vom Eingang her zu uns klangen. Wir huschten weiter und konnten, als wir einen hohen Pakethaufen passiert hatten, die Betreffenden sehen. Es waren drei Personen, welche nebeneinander auf dem Boden saßen und, aus dem Gang hinausschauend, sehr eifrig
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