21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Rücken auf das lockere Geröll niederkrachte, welches, ihn in eine Lawine hüllend, mit ihm in die Tiefe schoß.
„Da fährt er hin, doch ohne Pferd und Wagen!“ lachte Halef. „Nimm mir es nicht übel, Sihdi, aber solche undankbare Halunken könnte ich umbringen! Paß auf, Sihdi, er wird dir zumuten, ihm zur Wiedererlangung seines Eigentums behilflich zu sein; aber ich sage dir, wenn du nur noch eine Lippe oder einen Finger für ihn bewegst, so schreibe ich deiner Emmeh, welche die Zierde deines Harems ist, einen monatelangen Brief, in welchem ich ihr erkläre und beweise, daß sie im höchsten Grad unglücklich ist, wenn sie sich nicht so schnell wie möglich an einen andern Türken verheiratet. Paß nur auf, das tue ich, das tue ich ganz bestimmt!“
„Wenn du zu solchen Mitteln greifst, lieber Halef, so sehe ich mich freilich gezwungen, deinen Wunsch als einen Befehl zu nehmen, dem ich zu gehorchen habe.“
„Das erwarte ich allerdings von dir! Es gibt keinen größeren Lump auf Erden, als einen Menschen, welcher undankbar ist. So! Jetzt ist der Zorn heraus, und nun will ich wieder dein alter, stiller Halef sein!“
„Still? Hm!“
„Hm? Warum hmst du denn? Hältst du es etwa nicht für wahr, daß ich ein sehr stiller Charakter bin?“
„Oh, ich halte es für sehr wahr, nur freilich in grad entgegengesetzter Weise, als du es gemeint hast.“
„Wieso?“
„Dein Charakter ist so überwältigend, daß andere ganz still sein müssen.“
„Andere? Ja, richtig! Es ist auch wirklich oft sehr notwendig, daß man einen solchen Charakter hat! Du bist zu gut, viel zu gut, und wenn da nicht ich mich zuweilen in deine großen Lücken stellte, so würde das Belad esch Schark (der Orient) wohl wenig Freude an uns erleben. Ich bin auch in dieser Beziehung dein unermüdlicher Führer und Beschützer. Nun aber komm, sonst stirbt der Säfir vor Sehnsucht nach unserer Gegenwart!“
Wir begaben uns also wieder in den Gang, und zwar nach der Nische, in welcher die Lämpchen standen. Als wir da Licht gemacht hatten, gingen wir nach der Ecke, wo die Stufen hinabführten. Den im Gang liegenden Waren schenkten wir zunächst keine Beachtung; sie interessierten uns nicht. Zwar war anzunehmen, daß sich unter ihnen auch die der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi abgenommenen wertvollen Sachen befanden, aber da wir uns vorgenommen hatten, uns mit diesem Menschen nicht mehr zu befassen, so ging uns auch sein Eigentum nichts an.
Im Raum Nummer Eins unten angekommen, verschoben wir die Untersuchung desselben noch für kurze Zeit, um zunächst nach dem Säfir zu sehen, der sich in Nummer Drei befand. Er stand oder vielmehr er hing noch genau in derselben peinlichen Lage, in welcher wir ihn verlassen hatten, an den eisernen Vorhangstäben. Er war gezwungen, sich nicht zu bewegen und den Kopf unausgesetzt hoch zu halten, denn sobald er ihn senkte, wurde ihm durch den eng um den Hals liegenden Strick der Atem genommen. Er befand sich also in steter Angst vor dem Erstickungstod, und so war es leicht erklärlich, daß er uns bei unserm Eintritte im höchsten Zorn entgegenrief:
„Endlich laßt ihr euch wieder einmal sehen! Ist das die Art der Christen und Sunniten, Menschen zu behandeln? Bindet mich los, und gebt mich frei, wenn euer Leben für euch nicht weniger als einen Pulverschuß Wert besitzt! Ich gehe zum Sandschaki, und wehe euch, wenn er erfährt, was ihr hier zu unternehmen wagtet! Nur meine Fürsprache kann euch vor dem Ärgsten retten!“
Halef stellte sich breitspurig vor ihn hin und fragte:
„Ah! Unser Fürsprecher willst du sein?“
„Ja; aber nur, wenn ihr eurer Feindseligkeit gegen mich sofort ein Ende macht!“
„Oh, wir sind ganz begierig darauf, dir Freundlichkeiten zu erweisen! Leider aber würden sie uns nichts nützen, weil deine Fürbitte ebenso machtlos wie dein Sandschaki ist. Er steckt im Kerker, und Ketten schmücken seine Hände!“
„Das ist Lüge!“
„Keine Beleidigung, sonst beweise ich dir mit der Peitsche, daß ich die Wahrheit spreche! Grad du darfst dich nicht darüber wundern, daß ich vom Gefängnis spreche, denn nur du allein trägst die Schuld, daß er eingesperrt worden ist!“
„Ich – – –?!“
„Ja, du! Es war die größte aller Dummheiten, die es gibt und geben kann, daß du den Pädär-i-Baharat mit einer Schrift zu ihm schicktest, welche entdeckt und ihm abgenommen worden ist. Man weiß nun nicht nur, was du hier im Birs zu suchen hast, sondern man kennt auch alle
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