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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eure andern Heimlichkeiten! – Doch, was habe ich mich mit dir abzugeben! Es gibt hier mehr zu sehen als dich, einen Menschen, der nicht wert ist, daß man ihn nur mit einem einzigen Blick begnadet!“
    Ich hatte nämlich nicht auf ihren Wortwechsel geachtet und war mit dem Licht nach Nummer Zwei gegangen. Jetzt kam mir Halef dorthin nach. Wir sahen uns in diesem Raum und dann auch in den andern um. Unser alter Bagdader Gastfreund hatte wirklich nicht zu viel von den hier hoch aufgestapelten Waren erzählt. Es gab da eine so tadellose Ordnung, daß man hätte meinen können, sich in einem wohlgeleiteten kaufmännischen Magazin zu befinden. Jeder Pack und jeder Gegenstand hatte eine Etikette, welche sich auf seinen Inhalt bezog. Wir brauchten also nur diese Aufschriften zu lesen, um zu erfahren, was alles hier vorhanden war.
    Es gab da Tabak aus Räscht, besten Opium, Haschisch, Tamariskenhonig, Henna, Krapp aus Täbriz, Safran und Saflor, getrocknete Hallagäh- und Angur-i-Ali-Deresi-Trauben, gedörrte Melletzu- und Gulab-i-Schahi-Birnen, Kischmisch- und Savsa-Rosinen, Gulab (Rosenwasser) und das herrliche teure Atr-i-gul (Rosenessenz). Das Gegenteil davon, nämlich Asa foetida, war auch vorhanden. Es waren da verzeichnet wohlriechende Seifen aus der Stadt Kum, Demawendi-Schwefel, Arsenik aus Kaswin, ferner kostbare Lammfelle von Bokhara und Kum, große, schwere Ballen Maroquins, in Persien Tscherme hamadahni genannt, und Saghri-Chagrins, welche aus der Rückenhaut des wilden Esels gefertigt werden. Außerordentlich reich war das Lager an den verschiedensten Kleiderstoffen, als Sammet, Seide, Wolle, Baumwolle usw., ebenso an köstlichen Shawls und Teppichen. Der Säfir mußte sich hier vollständig sicher gefühlt haben, denn sonst hätte es ihm nicht einfallen können, solche Werte an dieser Stelle aufzustapeln. Mit welchen Gefühlen mochte er nun Zeuge davon sein, daß wir seine Schätze so ungestört und mit Gemächlichkeit betrachteten! Er verhielt sich ruhig und sagte lange, lange Zeit kein Wort; aber als wir an die schon einmal erwähnte Truhe kamen und ich, um sie zu öffnen, den ihm abgenommenen Schlüssel hervorzog, da schrie er mit hier in diesem Raum schmetternder Stimme auf:
    „Halt! Wagt euch nicht an diesen Kasten!“
    Ich steckte natürlich den Schlüssel trotzdem ein und drehte ihn im Schloß um. Als er das Geräusch hörte, brüllte er:
    „Ich warne euch bei Allahs Namen: Berührt dort nichts! Es liegt ein Sihhr (Zauber) darin verborgen, der jedem, der ihn berührt, Verderben bringt!“
    „Das freut mich außerordentlich!“ lachte Halef. „Dieser dein Zauber gehört wahrscheinlich in das Gebiet der schwarzen Simijah (Magie), und da ich mich nun sehr gut auf die weiße Simijah verstehe, so habe ich hier die beste Gelegenheit, zu erfahren, welche mächtiger ist, die schwarze oder die weiße.“
    „Die schwarze, die schwarze ist mächtiger! Hüte dich! Rühr nichts an!“
    „Wenn das wirklich wahr ist, was du sagst, so brauchen wir uns dennoch nicht zu fürchten, denn mein Effendi ist Meister in der blauen, roten, grünen und gelben Simijah, und du wirst gleich sehen, daß deine einfache schwarze gegen diese vierfache und bunte Wissenschaft unmöglich aufkommen kann! Also öffne, Sihdi, öffne getrost!“
    Ich hob den Deckel auf.
    „Mach zu, mach wieder zu!“ warnte der Säfir mit überschnappender Stimme. „Der Zauber bringt dich sonst um dein ewiges Leben, um deine ganze Seligkeit!“
    „Mach dich nicht lächerlich!“ antwortete ich jetzt. „Glaubst du denn wirklich, daß ein Europäer, ein Christ, so dumm sein kann, eine solche Albernheit zu glauben, über welche dich bei uns jedes Kind verspotten würde? Die Truhe ist geöffnet; nun, wo ist dein Zauber?“
    „So sei verflucht im Leben und verdammt in Ewigkeit!“
    Da sprang Halef hin zu ihm; der Schein der Lampe reichte nicht so weit. Ich hörte einen klatschenden Hieb und einen Schmerzensschrei; dann war es still. Der Hadschi kehrte zurück und sagte nichts. Selbst wenn er etwas hätte sagen wollen, wären ihm bei dem Anblick, der sich ihm hier bot, die Worte wohl auf der Zunge liegen geblieben. Wie ein kleiner Knabe, dem eine große, ungeahnte Überraschung wird, spreizte er die Finger aus und starrte auf das flimmernde Gold und Silber und auf die funkelnden Edelsteine, welche vor uns lagen. In holzgeschnitzten Schalen sahen wir, offen, nicht in Rollen gepackt, in- und ausländische Gold- und Silberstücke in Haufen, während

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