Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
deine Bedenken sind, so steht es um den Bimbaschi gar nicht schlecht. Ich gebe niemals ein Versprechen, von welchem ich nicht vollständig überzeugt bin, daß ich es halten kann. Den Seraskier brauche ich heute nicht. Und grad weil ich ein Christ bin, kannst du dich auf mein Wort mehr und mit größerer Sicherheit verlassen, als wenn ich ein Moslem wäre. Ich habe dir gesagt: Wenn du von den fünfunddreißig Personen keine entkommen läßt, bist du sofort Bimbaschi. Was ich gesagt habe, das gilt!“
    „Allah! So bedenke, Effendi, daß keine entkommen ist!“
    „Das bedenke ich!“
    „Ich müßte also jetzt Bimbaschi sein!“
    „Das bist du auch!“
    „Aber ich sehe und merke nichts davon!“
    „So schau hierher; dann wirst du es wohl sehen und merken!“
    Ich zog das von Osman Pascha erhaltene Dokument heraus und gab es ihm. Er nahm und las es. Ich hatte einen lauten, begeisterten Ausbruch der Freude erwartet, sah mich aber getäuscht. Als er mit dem Lesen fertig war, bewegte er sich nicht und blickte still und stumm vor sich nieder; dann ging über seinen Körper ein krampfhaftes Zucken, als ob er laut aufschluchzen müsse und dies noch unterdrücken wolle; aber aus seinen Augen rollten große Tränentropfen über die gebräunten, hageren Wangen. Hierauf sank er auf die Knie nieder, faltete die Hände, hob sie empor und betete:
    „Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrscht am Tage des Gerichts. Dir wollen wir dienen und zu dir wollen wir flehen, auf daß du uns führst den rechten Weg, den Weg derer, die deiner Gnade sich freuen, und nicht den Weg derer, über welche du zürnst, und nicht den der Irrenden!“
    Das war die erste Sure des Korans, die ‚heilige Fatiha‘, die ‚Eröffnende‘, der Anfang, auch wohl Umm el Kitab (Mutter des Buches, des Korans) genannt. Sie ist, wie bei uns Christen das heilige Vaterunser, das Hauptgebet der Mohammedaner und wird andern Gebeten gern als Einleitung vorangesandt. Dann fuhr er fort:
    „Ich danke dir, Gott, daß du mich begnadet hast mit deinem Segen! Es war dunkel in meiner Seele und finster in meinem Herzen. Das Meer der Trübsal umwogte mich, und die Fluten der Sorge gingen mir bis an die Lippen. Ich flehte zu dir, und du schienst mich nicht zu hören; ich rief dich an, und du wolltest nicht kommen, so glaubte ich. Aber du hattest meine Not gesehen und meine Worte wohl vernommen und wartetest nur eine Weile, bis die richtige Zeit gekommen sei, den Ratschluß deiner Güte auszuführen. Nun ist der Augenblick des Glücks angebrochen; deine Liebe hat sich meines Jammers erbarmt und mich mit Gnade überschüttet. Nun liege ich vor dir und blicke auf zu deiner Herrlichkeit, um dir den Dank zu stammeln, der auf zu deinem Himmel steigt. Du hast Großes an mir getan. Dein Name sei gelobt und deine Huld gepriesen von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen!“
    Nun stand er wieder auf, ergriff meine beiden Hände und sagte:
    „Effendi, du bist ein Mensch, aber doch der Bote Allahs, den er hierher sandte, mir die Erhörung meines täglichen Gebets zu bringen. Verzeihe mir den Zweifel, den ich gegen diese schnelle Erfüllung deines Versprechens hegte! Du hast mich aus schwerer Not befreit; nun bin ich aller meiner Sorgen los und bitte dich, mit meinem Haus täglich für dich beten zu dürfen. Es wird vor Allah keine Sünde sein, wenn ein Moslem für einen Christen zu ihm bittet!“
    „Eine Sünde! Dein Gebet wird ganz im Gegenteil vor Allahs Ohr einen doppelten Wohlklang haben. In der zweiundzwanzigsten Sure steht geschrieben: ‚Siehst du denn nicht, daß alle Gott verehren, die im Himmel und auf Erden sind?‘ Denk ja nicht, daß euer Glaube der allein richtige sei! Und wenn er es wäre, grad dann müßtest du zu Allah für diejenigen flehen, die ihn nicht besitzen. Ich bete täglich für alle Menschen, welche keine Christen sind, also auch für dich. Und als du zu mir von deiner Not und Sorge sprachst, da nahm ich mir vor, dir zu helfen, und dachte dabei nicht daran, daß du in meinen Augen ein Ungläubiger bist. Also bete getrost für mich! Niemand bedarf es so sehr wie ich, daß für ihn gebetet wird.“
    „Ja, Effendi, ich werde es tun. Und nun sag, was jetzt geschehen soll!“
    „Ich habe mit Halef noch hier oben zu tun. Du aber begibst dich hinunter zu deinen Leuten, um deine ganze Aufmerksamkeit auf die Gefangenen zu richten, denn du bist dafür verantwortlich, daß keiner von ihnen fehlt, wenn der Dscheneral kommt.“
    „Du meinst Osman

Weitere Kostenlose Bücher