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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eingelassene Fächer eine Menge geschliffene oder ungeschliffene Halb- und Ganzedelsteine enthielten. Auch gab es Ringe, Ketten, Hals- und Armbänder, Haar- und andern Schmuck in Menge. Was dieser Kasten enthielt, das war ein Vermögen, wirklich ein Vermögen! Und als ich einige Fächer herausnahm, erblickte ich kostbare Pistolen und Dolche, welche den unteren Teil der Truhe füllten. Dabei lagen zwei Bücher. Ich schlug sie auf. Wer hätte das denken sollen! Es waren die Geschäftsbücher, welche eine ganze Reihe von Jahren zurückreichten und ein genaues Verzeichnis aller Aus- und Eingänge enthielten. Das war ja staunenswert!
    „Maschallah!“ ließ sich Halef endlich hören. „Mein Verstand steht still! Sihdi, gib mir einen Stoß in die Rippen, daß er wieder in Bewegung kommt!“
    „Steckt er bei dir zwischen den Rippen?“ fragte ich.
    „Wo er steckt, das kann ich in diesem Augenblick nicht wissen; ich fühle nur, daß er nicht da ist, wohin er gehört. Welch ein Geld! Welch eine Pracht der Steine! Ich bin kein Dschohardschi (Juwelier) und weiß also nicht, wie sie heißen. Kennst du vielleicht die Namen?“
    „Was nützt es, wenn ich sie dir aufzähle? Die Steine werden dadurch doch nicht unser!“
    „Ja, eigentlich betrübt es meine gefühlvolle Seele sehr, daß ich sie nur betrachten, aber nicht in meine Tasche stecken darf! Sieh dieses herrliche Suwahri (Armband)! Was sind das für Steine?“
    „Ein Almahs (Diamant), ein Sumrud (Smaragd) und ein Jakut (Rubin), woran sich die dreifachen Firuzareihen (Türkis) schließen.“
    „Oh, Sihdi, wie würde meine Hanneh jubeln, die schönste unter den Schönheiten aller erschaffenen Frauen, wenn ich ihr diesen Schmuck mitbrächte, um ihn an ihren geliebten Arm zu legen! Stehen wir wirklich gar so hoch, daß wir gar nichts wegnehmen dürfen?“
    „Ja.“
    „Und ist unsere Ehre wirklich von so großer Erhabenheit, daß wir sie durch einige solche Steine beleidigen würden?“
    „Ganz gewiß.“
    „So denke an Emmeh, die lieblich-braune Herrin deines Frauenzeltes! Liebt sie es nicht auch, sich zu schmücken?“
    „Ihr und mein bester Schmuck ist Ehrlichkeit, und alles, was hier liegt, ist fremdes Eigentum. Bedenke das!“
    „Ich bedenke es! Zugleich bedenke ich aber auch, daß es eine wahre Schande ist, diesen Reichtum entdeckt zu haben, ohne ihn behalten zu dürfen. Hoffentlich ist es wenigstens erlaubt, einmal so recht mit allen zehn Fingern hineinzugreifen?“
    „Dagegen habe ich nichts. Wenn es dir Vergnügen macht, so tue es!“
    „Sogleich, sogleich! Sieh, wie das funkelt, wie es strahlt!“
    Mein kleiner Hadschi war ein grundehrliches Kerlchen; aber dieses Metall und diese Steine taten es ihm doch an. Darum sagte ich, indem er darinnen wühlte und sie aus einer Hand in die andere gleiten ließ:
    „Ein freundlicher Strahl aus dem Auge deiner Hanneh ist schöner und tausendmal mehr wert als diese ganze leblose und künstliche Flimmerei!“
    Da zog er die Hände schnell zurück, sah mir mit warmem Blick in das Gesicht und antwortete:
    „Das ist sehr wahr, Sihdi! In den Augen, von denen du sprichst, wohnt ein Licht der Liebe, gegen welches dieses Gefunkel hier die reine Finsternis, der unsichtbare Neumond ist. Ich bin reicher, viel reicher als der arme Teufel, dem dieses Geld und diese Steine da gehören werden. Ich tausche nicht mit ihm! Ein fröhliches Lachen aus dem Mund meiner Hanneh, der herrlichsten aller Frauen, klingt schöner als das Klirren dieser Münzen. In ihren Augen und ihrem Lächeln wohnt die Seele, in diesen toten Schätzen aber ist keine – – – Allah, was sehe ich!“
    Er hatte, wie zur Erklärung, wieder in die Schmucksachen gegriffen und das erstbeste Stück herausgenommen. Sein Ausruf lenkte auch meinen Blick auf diesen Gegenstand.
    „Ein Bild, Sihdi, ein Bild!“ fuhr er fort. „Das muß einem Christen gehört haben, denn einem Moslem ist es ja verboten, sich malen zu lassen. Und doch ist die Kleidung dieses Mannes und dieses Weibes keine fränkische, sondern persisch. Schau es an!“
    Er gab mir das kleine, mit Edelsteinen eingefaßte Doppelporträt. Als mein Auge darauf fiel, hätte ich beinahe einen Ruf der Überraschung ausgestoßen. Ich kannte den Perser, dessen Konterfei ich vor mir sah. Es handelte sich nicht um eine zufällige Ähnlichkeit, sondern er war es, war es unbedingt und ohne Zweifel selbst, nämlich Dschafar, mit dem ich damals drüben im Westen der Vereinigten Staaten zusammengetroffen war. Neben

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