Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Fall von Blutrache zwischen uns ist ausgeglichen, also hat kein Stamm dem andern etwas vorzuwerfen; aber bei Leuten, zwischen denen soviel Blut geflossen ist, wie zwischen uns und ihnen, ist in jedem Augenblick die Möglichkeit vorhanden, daß wieder welches vergossen wird.“
    „Da ist also euer Ritt zu ihnen nicht ganz ungefährlich?“
    „Oh, er ist viel gefährlicher, als du denkst! Wir sind sogar fest überzeugt, daß wir unser Leben wagen, indem wir die Nähe der Dawuhdijehs oder gar sie selbst aufsuchen. Aber wir müssen, denn ich habe erfahren, daß sie meinen Bruder bei sich festhalten.“
    „Warum?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Aus welchem Grund befindet er sich bei ihnen, bei denen er doch, wie er wohl wissen mußte, so wenig sicher ist?“
    „Er mußte hin, um das Leben seines Sohnes zu retten, der sich mit einer vergifteten Waffe verwundet hatte.“
    „Das ist mir unklar. Ich bitte dich, es verständlicher zu erzählen!“
    „Diesen Wunsch werde ich dir gern erfüllen. Ich habe einen älteren Bruder, welcher Schevin heißt. Allah gab ihm einen Sohn, einen lieben, schönen, kräftigen kleinen Knaben, welcher der Stolz und die Freude seines Vaters und seiner Mutter ist. Khudyr ist sein Name. Dieser Knabe bekam unvorsichtigerweise ein vergiftetes Kriegsmesser aus Hindistan (Indien) in die Hand. Vielleicht weißt du, wie gefährlich dieses Gift ist, welches man Antschar nennt?“
    „Ja, ich weiß es. Es wird auch Upas oder Tschettikgift genannt, welches starke Krämpfe und darauf den Tod bewirkt, wenn es durch die Wunde in das Blut aufgenommen wird.“
    „Ich höre, daß du es kennst. Jedermann hat erfahren, daß dieses Gift das gefährlichste aller Gifte der Erde ist. Es wächst auf einem Baume, welcher im ‚Todestal ‘ steht und seinen verderblichen Hauch mehrere Tagereisen weit nach allen Richtungen verbreitet, so daß kein Baum, kein Strauch, keine Blume, ja kein einziger Grashalm entstehen und wachsen kann. Jedes Tier, welches in die Nähe kommt, wird durch diesen Gifthauch sofort getötet, und auch jeder Mensch muß sofort sterben, wenn er sich dorthin verirrt oder so vermessen ist, sich heranzuwagen.“
    „So schlimm ist es doch nicht ganz!“
    „Nicht? Wenn du das behauptest, kennst du dieses Gift doch nicht genau. Ich sage dir, es ist die reine, volle Wahrheit, daß jeder Mensch, jedes Tier und jede Pflanze in der Gegend, wo dieser Baum des Gifttodes steht, sofort und unbedingt zugrunde geht. Darum ist das ‚Tal des Todes‘ mit den Gerippen von Menschen und Tieren so dicht besät, daß die Knochen den Boden allüberall vollständig bedecken!“
    „Ich werde dir sogleich beweisen, daß du dich irrst.“
    „Das kannst du nicht!“
    „Ich kann es; es ist sogar sehr leicht. Du behauptest also, daß jeder Mensch, welcher sich in dieses Todestal wagt, unbedingt zugrunde gehen muß?“
    „Ja, unbedingt und sofort!“
    „Weißt du, daß es Tausende von Klingen und Pfeilspitzen gibt, welche mit dem Gift, von dem du sprichst, getränkt und versehen worden sind?“
    „Ja.“
    „Es muß also doch wohl Leute gegeben haben, die es aus dem Tal des Todes holten?“
    „Natürlich!“
    „Die haben es gebracht, sind also nicht gestorben! Wie stimmt das mit deiner Behauptung überein?“
    „Hierauf weiß ich freilich nicht zu antworten, Effendi. Was ich gesagt habe, ist mir ganz genauso erzählt worden, und jedermann glaubt es.“
    „Ich will dir zu deiner Entschuldigung sagen, daß dieses Märchen von dem Todestal auch bei uns im Abendland erzählt und von vielen Leuten, die nicht darüber nachdenken, geglaubt wird. Es gibt kein Todestal und auch nicht diesen einzelnen oder einzigen Upasbaum, welcher dieses Verderben ganz allein verbreiten soll, sondern es wachsen auf Java und noch andern dortigen Inseln viele solcher Bäume, Sträucher und Schlinggewächse, von deren Milchsaft das Upas- oder Antschargift bereitet wird. Diese Bäume und sonstigen Gewächse gedeihen an solchen Stellen am besten, wo unterirdische, giftige Gase aus der Erde treten. Diese Gase sind schwerer als die Luft; sie steigen nicht in die Höhe, sondern bleiben unten in der Nähe des Bodens, besonders in Tälern, wo der Wind keinen Zutritt hat und sie also nicht mit sich fortführen kann. Wer sie einatmet, der muß sterben. Darum, aber auch nur darum findet man in solchen Tälern dort sehr oft Gerippe von Menschen und Tieren liegen, welche an diesen Gasen zugrunde gegangen sind, aber nicht an den Giftpflanzen, welche

Weitere Kostenlose Bücher