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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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falls wir Schiiten begegnen, welche entdecken, daß der Emir ein Christ ist, so werden sie in demselben Augenblick zugleich auch die Entdeckung machen, daß es für sie am klügsten ist, sich vor unserm Zorn in acht zu nehmen. Ich sage dir, es ist keine Kleinigkeit, den obersten Scheik der Haddedihn oder den berühmten und unüberwindlichen Emir Kara Ben Nemsi Effendi zum Feind zu haben. Du mußt nämlich wissen, daß wir Zaubergewehre besitzen, mit denen man endlos schießen kann, ohne laden zu müssen. Wir sind überhaupt nicht so wie andere Menschen. Wir denken, reden und handeln anders als sie; wir schießen, stechen und hauen anders als sie; wir werden – – – kurz und gut, solange ihr euch bei uns befindet, seid ihr sicher vor jeder Gefahr. Und wenn in diesem Augenblick hundert Schiiten kämen, um über uns und euch herzufallen, so würden wir uns nicht fürchten, sondern es getrost mit ihnen aufnehmen.“
    „Wie wolltet ihr euch wehren, da ihr eure Flinten nicht bei euch habt?“
    „Kann man sich nur mit Hilfe von Flinten verteidigen? Ich sage dir, es gibt noch ganz andere Waffen, und man kann sich der Angreifer noch auf ganz andere Weise entledigen, als nur mit Hilfe von Pulver und Blei. Wer Geistesgegenwart, List und Mut besitzt, ist jedem Feind überlegen, dem eine dieser Eigenschaften fehlt; wir haben das sehr oft erfahren, und um dir das beweisen zu können, wünsche ich fast, daß jetzt eine Schar von Schiiten käme, um mit uns anzubinden.“
    „Allah verhüte das! Ich bin ein tapferer Soldat und Offizier, aber diese Leute, welche Ali und seine Söhne mehr verehren als den Propheten selbst, sind keine ehrlichen Krieger. Ich pflege dem Feind gerade, offen entgegenzugehen; sie aber lieben die Heimtücke und die Hinterlist. Ist es mir beschieden, im Kampf zu sterben, so soll es doch wenigstens nicht von einer Kugel sein, die mit feiger Hand von hinten auf mich geschossen wird. Seid ihr wirklich bloß in der Absicht hierhergekommen, den Birs Nimrud zu sehen?“
    „Ja.“
    „Ich will nicht in euch dringen, mir mehr zu sagen, als ihr wollt; aber es ist mir unmöglich zu glauben, daß man einen so weiten und gefährlichen Ritt unternehmen kann, nur um einen großen, wüsten Haufen von Trümmern und Ziegelsteinen zu betrachten. Ich bitte um die Erlaubnis, meine Anordnungen für die Nacht erteilen zu dürfen, denn da wir beabsichtigen, erst am Tag nach Hilleh zu reiten, werden wir jetzt zu schlafen versuchen!“
    Er gehörte zu der großen Zahl der Leute, denen es unverständlich ist, wenn andere etwas tun oder unternehmen, ohne die Absicht auf gewöhnliche, äußerliche materielle Vorteile dabei zu hegen. Wahrscheinlich war er trotz allem, was wir gesagt und gesprochen hatten, doch immer noch der Ansicht, daß wir in irgendeiner Beziehung zu den Schmugglern ständen.
    Er bestimmte die Posten, welche natürlich auch die Gefangenen zu bewachen hatten, und wickelte sich in seinen Mantel, damit ein Zeichen oder Beispiel gebend, welchem seine Untergebenen sogleich folgten. Halef streckte sich auch lang aus und fragte mich leise:
    „Meinst du vielleicht, Sihdi, daß es für uns geraten ist, abwechselnd zu wachen?“
    „Nein“, antwortete ich. „Der alte Kol Agasi meint es ehrlich. Wir werden auch ohne unsere Decken ganz gut schlafen, denn es ist heut nicht kalt. Gute Nacht!“
    „Gute Nacht sage auch ich, obgleich ich weiß, daß ich keine Ruhe finden werde. Der Gestank der Leichen liegt noch so fest in meiner Nase, daß mich der Tod heut fliehen würde, also noch viel mehr der Schlaf; sei der deinige um so fester!“
    Dieser sein Wunsch ging in Erfüllung. Ich schlief sehr gut und so lange, bis der Hadschi mich weckte. Er versicherte mir, kein Auge geschlossen zu haben, denn ‚die Empörung seiner Nase haben ihn gequält bis jetzt zu diesem Augenblick‘. Die Soldaten nahmen ein kurzes, frugales Frühstück und stiegen dann auf, um sich von uns nach der Stelle führen zu lassen, an welcher unsere Pferde sich befanden. Diese begrüßten uns mit frohem Wiehern; sie hatten sich nach uns gesehnt, aber doch keinen Versuch gemacht, sich loszureißen.
    Als wir sie von der Schutthalde herabgeführt brachten und der Kol Agasi sie sah, rief er bewundernd aus:
    „Ja, das ist wirklich Radschi Pack! Dergleichen hat selbst der Pascha von Bagdad nicht in seinem Besitz und ich begreife es sehr gern, wenn andere lüstern danach werden. Solche Pferde sind für Diebe eine Versuchung, welcher kaum zu widerstehen ist.

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