21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
werde.“
„Gut! Vortrefflich!“ lachte er mir in das Gesicht. „Also nach dieser Frist wirst du wissen, wie du mit mir zu verkehren hast?“
„Ja.“
„Und ich weiß schon jetzt in diesem Augenblick, wie ich mich zu dir verhalten werde und welches Ende unsere Bekanntschaft nehmen wird. Du wirst diesen Ort hier lebend nicht verlassen; du wirst hier sterben, und dein Tod wird ein schrecklicher sein, ein so schrecklicher, daß dir dann die Hölle als ein Ort der Erlösung gelten wird!“
„Daß dies deine Absicht ist, weiß ich; aber ebenso genau weiß ich, daß ich mich weder vor dir noch vor dem Tod und der Hölle zu fürchten brauche. Das Ende meines Lebens steht nicht in deiner, sondern in Allahs Hand, und da er ein gerechter Richter ist, so bin ich überzeugt, daß er dich eher, viel eher fassen wird als du mich!“
„Ich habe dich ja schon!“ zischte er mich an.
„Nur einstweilen, für kurze Zeit; er aber wird dich nicht wieder aus seinen Händen lassen. Du kannst mich nicht hier halten; du bist zu schwach dazu; wen aber der Zorn Allahs packt, für den gibt es keine Hoffnung, zu entkommen; er wird zermalmt.“
Er trat einen Schritt zurück, schlug die Hände in ironischer Verwunderung zusammen und rief mir spottend zu:
„Was für ein großer, für ein berühmter und wunderbarer Prophet du bist! Wünschest du, daß ich vor dir niederfalle und dich verehre? Ich sage dir, daß du wie ein Mensch gesprochen hast, der an unheilbarer Verrücktheit leidet. Wenn du vom Zorn Allahs faselst, so setze ich den meinigen dagegen, und du wirst sehr bald erfahren, welcher von beiden der gefährlichere ist. Aus meiner Hand kann dich kein Allah retten; hier im Birs Nimrud gilt er nichts; da bin ich nur allein der Herr!“
„Lästerer!“
„Ich lästere nicht; ich kenne nur meine Macht, an welcher du zu zweifeln wagst. Höre, was ich dir sage! Mit Beginn des neuen Tages wird auch deine Todesqual beginnen, und nur wenn du mich um Erbarmen bittest, wird sie mit dem Tag zu Ende sein, sonst aber wird sie länger, wohl mehrere Tage, dauern!“
„So höre auch, was ich dir sagen werde! Mit Beginn des neuen Tages wird deine eingebildete Macht zu Ende sein, und mit dem Ende dieses Tages wird dich die Faust der ewigen Gerechtigkeit ergreifen. Nun haben wir beide unsere Meinungen ausgesprochen und werden sehen, was geschieht!“
Diese Worte waren mir keineswegs von einer persönlichen Absicht diktiert worden, sondern als ich sie gesagt hatte, wußte ich selbst nicht, wie ich dazu gekommen war, sie auszusprechen. Ich bin überzeugt, daß auch sie die Folge einer Eingebung waren, deren Quell nicht in mir selber lag. Der Säfir ließ einen unendlich verächtlichen Blick an mir niederstreifen und erwiderte:
„Ja, wir werden sehen, was geschieht. Ich weiß es ja schon jetzt, und du wirst es erfahren, sobald ich zurückkehre. Damit du inzwischen einen kleinen Vorgeschmack von den Freuden bekommst, die dich erwarten, werden wir dich mit der wonnevollen Stellung der Glieder beglücken, auf die nur hervorragende Herren Anspruch haben und die wir Sa'adet-i-Bädän (Seligkeit des Körpers) zu nennen pflegen. Bindet ihn, aber so fest, daß er sich nicht rühren kann!“
Ich hätte mich wehren können, doch voraussichtlich ohne allen Erfolg; darum verzichtete ich auf Widerstand und ließ mit mir machen, was sie wollten. Ich mußte mich niedersetzen. Sie richteten mir die Knie bis an die Brust empor und befestigten sie dort mit Hilfe eines um den Hals geführten Strickes, der meinen Kopf bis ganz zu ihnen niederzog; die beiden Enden dieses Strickes wurden mir unten mehreremale um die Fußgelenke geschlungen und dort fest verknüpft. Sodann legten sie mir die Arme um die Knie und banden sie mir, wie sie meinten, so fest zusammen, daß ein öffnen der Knoten vollständig ausgeschlossen zu sein schien und mein Körper nun die Haltung einnahm, welche man mit dem Ausdrucke ‚in den Bock gespannt‘ bezeichnet.
Ich habe mich mit Absicht der Worte ‚wie sie meinten‘ bedient, denn sie hatten, allerdings ohne es zu bemerken, ihre Absicht nicht oder doch wenigstens nicht ganz erreicht. Während sie mir die Vorderarme zusammenbanden, hatte ich die Handgelenke nicht breit, sondern hoch aufeinander gelegt und dabei die Ellbogen so weit wie möglich niedergedrückt; zog ich die letzteren dann empor und drehte dabei die Gelenke, so mußte die Schlinge schlaff werden, und es gelang mir vielleicht, aus ihr herauszukommen. In dieser Hoffnung
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