21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
wurde ich durch den für mich sehr günstigen Umstand bestärkt, daß mir die Hände frei herunterhingen; man hatte, da die Handwurzeln zusammengefesselt waren, es nicht für notwendig gehalten, auch noch die Hände selbst unschädlich zu machen; ich war ihnen hier in diesem unterirdischen Raum ja überhaupt so sicher, daß es ihrer Ansicht nach für mich, selbst wenn ich nicht gefesselt gewesen wäre, nicht die geringste Hoffnung zu entrinnen, gab.
Als man mir in dieser Weise scheinbar alle Möglichkeit, mich zu bewegen, genommen zu haben glaubte, zerrte man mich in eine Ecke. Der Säfir faßte mich an der Schulter, wiegte meinen krummgezogenen Körper einigemal wie einen Schaukelstuhl auf und nieder und sagte dann:
„So, das ist die Sa'adet-i-Bädän, welche dir eine sieben Stunden lange Wonne bereiten wird, der Anfang der Glückseligkeit, welche wir dir zugedacht haben. Nun drohe, soviel du willst, mit deiner ‚Faust der ewigen Gerechtigkeit‘, über welche ich nur lachen kann!“
„Ich werde dich an diese Worte erinnern“, antwortete ich; „dann wirst du nicht mehr lachen!“
„Tue das, du Wurm; ich freue mich darauf!“
Bei diesen Worten wendete er sich von mir ab und ging hinaus; die andern folgten ihm. Die Eisenstäbe klirrten nieder; die Riegel wurden vorgeschoben, und es war nun vollständig dunkel um uns her. Kaum waren wir nun allein, so begann der Kammerherr:
„Wer hätte gedacht, daß – – –“
„Schweig!“ unterbrach ich ihn. „Sei jetzt ganz ruhig; wir müssen horchen!“
Ich legte mich um, so daß mein Ohr auf die Erde zu liegen kam, und lauschte. Der dünne Drahtvorhang war nicht hinreichend, die Schallwellen vollständig von uns abzuhalten; ich hörte ganz deutlich, daß die vier Männer aus Nummer Drei nach Nummer Vier gingen, also zu Halef, seines Anzugs wegen. Nach vielleicht zehn Minuten kamen sie von da zurück und begaben sich nach Nummer Eins, um, wie ich annahm, in den Gang hinaufzusteigen. Ich unterschied ganz bestimmt die Schritte von vier Personen und durfte also überzeugt sein, daß keiner von ihnen zu unserer Bewachung zurückgeblieben war. Wozu auch? Sie hielten das für vollständig überflüssig und brauchten wahrscheinlich draußen so viel Leute, daß niemand zu entbehren war.
Jetzt machte ich den oben erwähnten Versuch mit dem um meine Handgelenke geschlungenen Strick; ich bekam Zwischenraum, wenn auch nicht so viel, daß es mir möglich gewesen wäre, die eine Hand herauszuziehen; aber ich konnte sie doch wenigstens drehen und bekam dadurch den Knoten in die Finger. Es galt, ihn aufzuknüpfen, worüber ich wohl eine Viertelstunde zubrachte. Während ich mich hiermit beschäftigte, fragte der Kammerherr:
„Horchst du noch, oder darf ich jetzt sprechen?“
„Du darfst, aber ganz leise“, antwortete ich. „Es könnte sich doch jemand heimlich herangeschlichen haben, um uns zu belauschen.“
„Sag, wie bist du hierhergekommen? Ihr schlugt doch den Weg nach Bagdad ein!“
„Das taten wir nur zum Schein. Wir sind auf einem Umwege zurückgekehrt, um euch zu retten.“
„Um – uns – zu – retten?!“ sprach er meine Worte verwundert nach. „Du bist aber doch selbst gefangen!“
„Das stört mich nicht. Oder stört dich vielleicht meine Gegenwart?“
„Nein, o nein! Wie kommst du auf diesen Gedanken und zu dieser Frage?“
„Das weißt du nicht?“
„Nein.“
„Hast du vergessen, was du im Khan zu uns sagtest? Deine Worte lauteten: ‚Laßt euch nicht wieder vor uns sehen! Ein altes, persisches Sprichwort fordert, daß jeder Schiit, der einem Christen begegnet, ihn mit den Füßen von sich stoße, sonst hat er die Folgen in diesem und in jenem Leben zu tragen.‘ Nun, ich bin ein Christ, und du bist ein Schiit. Jetzt stoße mit den Füßen!“
„Effendi, du darfst das, was ich gesagt habe, nicht so nehmen, wie es geklungen hat, zumal alles anders geworden ist, als ich dachte. Hätte ich deine Warnung beachtet, so läge ich nicht hier, und meine Begleiter wären nicht ermordet worden!“
„Ermordet?“
„Ja.“
„Alle?“
„Alle elf. Ich habe dabeigestanden und zusehen müssen, ohne ihnen helfen zu können. Ich bot Geld über Geld für ihr Leben; aber der, den sie den Säfir nennen, lachte mich aus und sagte, er dürfe keinen Zeugen leben lassen und werde mein Geld auch sonst gewiß bekommen.“
„Elf Menschen umgebracht! Das ist geradezu teuflisch von ihm! Erzähle mir, wie ihr in seine Hände gefallen seid!“
„Wir
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