21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
wollen, um Geld, viel Geld zu bekommen.“
„Hast du dies schon getan?“
„Ja. Meinst du etwa, daß ich es hätte nicht tun sollen? Der Säfir stand mit gezücktem Messer dabei und diktierte mir. Hätte ich mich nur einen Augenblick geweigert, so wäre ich auch erstochen worden.“
„Wo hast du unterschrieben?“
„In der Stube, welche hier nebenan liegt.“
„Gab es da ein Schreibzeug?“
„Schreibzeug und alles, was er brauchte, auch Siegellack. Petschieren mußte ich mit einem Siegelring, den man mir abgenommen hatte. Er nahm das alles aus einer großen, mit Eisen beschlagenen Sanduka (Kiste, Truhe), zu welcher er den Schlüssel an einer Schnur um den Hals und unter der Weste hängen hatte. Da sah ich auch Geld liegen, viel Geld in Silber und Gold. Auch flimmernde Edelsteine zeigte er mir.“
„Wie? Er zeigte sie dir?“
„Ja. Wundere dich nicht! Es ist wahr, denn ich habe es gesehen, hier mit diesen meinen Augen gesehen! Es war ein ganzer Berg von Reichtum da beisammen.“
„Du verstehst mich falsch. Ich wundere mich keineswegs über diese Schätze; mir können sie nicht imponieren; aber daß er sie dir gezeigt hat, freiwillig gezeigt, das ist kein gutes Zeichen für dich.“
„Wieso?“
„Du hoffst doch, bald wieder frei zu werden?“
„Natürlich! Zwar werde ich wohl noch einmal unterschreiben müssen, wie du ja selbst vorhin gehört hast; dann aber wird er mich gehen lassen.“
„Hat er dir das versprochen?“
„Ja.“
„Und du glaubst diesem Versprechen?“
„Warum sollte ich nicht?“
„Warum? Warum!!! Man sollte es wirklich nicht für möglich halten, daß du noch fragen kannst. Ich bin überzeugt, daß es mit deiner Klugheit und deinem Scharfsinn genau ebenso steht wie mit deiner großen Tapferkeit, von welcher du vorhin sprachst. Er hat deine Leute ermorden lassen, um keine Zeugen zu haben; falls er dich leben läßt, bist du aber ein Zeuge seines Verbrechens. Denke doch nach!“
„Allah, Allah! Was sagst du da! Ich verstehe, was du meinst.“
„Und wenn ein Räuber jemandem seine Schätze zeigt, so tut er das nur, weil er überzeugt ist, daß der Betreffende nichts verraten kann. Diese Sicherheit gibt aber nur der Tod!“
„Mäbada – das sei fern! Du läßt mich da in einen Abgrund blicken, welcher so schwarz wie die Tiefe des Verderbens ist!“
„Ich bin aufrichtig mit dir. Du hast mich schon einmal mit Unglauben belohnt und dies sehr teuer bezahlen müssen. Hörst du jetzt wieder nicht auf mich, so ist es um dich geschehen. Du wirst den Himmel nicht mehr schauen, sondern hier ebenso abgestochen werden, wie deine Leute abgeschlachtet worden sind.“
„Bist du davon überzeugt?“
„Es ist meine feste, unerschütterliche Überzeugung.“
„So begnadige mich Allah mit seiner Barmherzigkeit! Ich will dir glauben; ja, ich muß dir glauben, wenn ich auch nicht wollte. Wenn ich mir deine Worte überlege und dazu die Schlechtigkeit dieser Menschen; wenn ich daran denke, mit welcher Kaltblütigkeit sie meine Begleiter erstachen, so kann ich gar nicht anders, ich muß mich verloren geben!“
Nun er einsah, was ihn erwartete, begann er zu jammern und zu klagen; er betete zu Allah; er wimmerte vor Angst und machte mir inzwischen eine Menge unnütze, weil unausführbare Vorschläge, uns zu retten. Inzwischen war es mir gelungen, die Knoten zu öffnen und die Hände freizubekommen; den Strick vom Hals, den Knien und den Füßen zu lösen, war nun nur eine Kleinigkeit; dann stand ich auf und reckte und streckte mit unendlichem Behagen meine Glieder. Jetzt war ich gerettet; denn nun mochte der Säfir kommen mit allen, allen seinen Leuten; ich hatte keine Angst vor ihnen!
Das erste, was ich hierauf tat, war, daß ich in die Ecke links ging, welche der Bimbaschi bezeichnet hatte, und da den Boden untersuchte. Es gab da einen nicht hohen, aber breiten Haufen Ziegelmehl, welches so fein und leicht war, daß ich den Arm fast bis an die Achsel hineinstoßen konnte, ohne besonderen Widerstand zu finden. Dann ging ich nach dem Eingange, um den Eisenstabvorhang zu betasten. Da war nicht hinauszukommen. Als diese Untersuchung ein leises Klirren der Stäbe verursachte, warnte der Pischkhidmät Baschi:
„Horch! Es ist jemand an der Tür!“
„Nein; ich war es“, antwortete ich.
„Du – – –?“ fragte er erstaunt. „Deine Stimme klingt jetzt von oben. Stehst du vielleicht? Wie kommst du an die Tür? Du bist doch gefesselt!“
„Ich war es, bin es aber nicht
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