210 - Unter dem Vulkan
zu sein, denn er nahm einen Hocker und schlug den Wegelagerer von hinten nieder. Es krachte dumpf.
»Danke…« Matt nickte Rulfan zu. »Du siehst ja schrecklich aus! Leg dich wieder hin!«
»Du auch«, sagte Rulfan. »Was ist mit deinem Auge los?«
Er nahm dem toten Räuber die Waffe ab. »Für… den Fall… des… Falles!« Er sank krächzend wieder auf sein Lager.
Matt zog den gefällten Banditen am Kragen hinter sich her und warf ihn auf den Pfad. Draußen hatte sich der Kampf inzwischen entschieden: Acht Banditen lagen tot am Boden.
Drei Boiis hatten ebenfalls das Zeitliche gesegnet.
Noah, Almira und die Überlebenden sahen arg zerzaust aus und bluteten, schienen aber nicht lebensgefährlich verletzt zu sein.
»Was sind das für Leute?« Matt schaute sich die toten Fremden an. Aus der Nähe betrachtet kamen sie ihm fast wie uniformiert vor: Ihre auffällig rot gefärbte Frisur hätte im 18.
Jahrhundert die Irokesen oder im 20. die Punks geschmückt.
Außerdem war der Nasenrücken jeder Leiche mit ein, zwei oder drei grünen Streifen verziert. Rangabzeichen? »Wir hatten doch hoffentlich keine Probleme mit dem örtlichen Gesetz?«
»Jetzt nicht mehr.« Noah zuckte die Achseln. »Und wenn doch, sind wir über alle Berge, bevor die, die abgehauen sind, mit Verstärkung wieder hier sind.«
Almira deutete auf die Tätowierung eines fünfzackigen Sterns an einem Ohrläppchen. »Legionäre. Verbannte aus den Wolkenstädten, die sich hier unten rehabilitieren sollen.«
»Verbrecher?«, fragte Matt. Er verstand kein Wort.
»Manche Menschen ecken überall an«, sagte einer der Boiis.
Sein Angliz war gut verständlich. »Vermutlich hat es damit zu tun, dass sie keine Lust haben, für ihren Unterhalt zu arbeiten.«
»Die Legionäre sollen Separatisten aufspüren und ausschalten«, erklärte Noah. »Sie erhalten keinerlei Hilfe von oben.« Er deutete zum Himmel hinauf. »Sie müssen sich auch selbst versorgen. Weswegen sie wenig zimperlich sind, wenn sie Reisenden begegnen.«
»Soll das heißen, die haben so was wie einen Kaperbrief?«
»Was ist das?«, frage Almira.
Matt erklärte es ihr.
»Ja, so ähnlich ist es«, sagte sie. »Aber wenn man sie erwischt, sagen die Behörden, sie kennen diese Leute nicht.«
»Kriminelle«, sagte Noah, »haben keinen Anstand. Die drehen jedes Ding, wenn es sie dorthin zurück bringt, wo das Leben angenehm ist.« Er deutete auf den Busch. »Welcher kultivierte Mensch möchte denn hier schon hausen? Ich nicht!«
***
Das zugtierlose Gefährt wurde entladen, seine Fracht – auch Rulfan – in die andere Kutsche gebracht. Die toten Boiis legte man in das Gefährt, das zurückgelassen werden musste. Die restlichen Bediensteten wollten sie, wenn sie Almira beim Propheten abgeliefert hatten, zur Handelsstation mitnehmen.
Mit den Leichen der Legionäre ging man nicht zimperlich um: Sie wurden fünfzig Schritte tief in den Busch getragen, wo die Aasfresser sich schnell um sie kümmerten. Auch der verendete Arachnid und der tote Jossele würden den Pfad nicht lange blockieren: Das Urwald-Ordnungsamt – ein Heer fingerlanger blauer Ameisen – war schon im Anmarsch.
Auf der letzten Rast vor dem Ende der Reise bat Matt Noah erneut, Rulfan besuchen zu dürfen. Noah lehnte aus »Gründen der Schicklichkeit« ab, als Almira aus dem kleinen Fenster schaute und Matt mit Gesten zu verstehen gab, er solle sich nach Mondaufgang einfach in den Wagen schleichen.
Als auf dem Lagerplatz ein Feuer brannte und die Grütze in dem großen Topf angerührt wurde, stieß der Boii, der die erste Wache übernommen hatte, einen Warnschrei aus. Alle sprangen auf und griffen zu den Waffen, doch wer da aus dem Dunkeln kam und eine zwei Meter lange Schlange im Maul hinter sich herschleifte, hatte vier Beine.
»Chira!«, sagte Matt erfreut. Die Lupa ließ die tote Schlange fallen und gesellte sich zu ihm. Matt ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen und kraulte ihre Ohren.
Während sich die Boiis auf die Schlange stürzten, um sie zu häuten und zu rösten, meinte Noah: »Ist das euer Hund? Ist er gefährlich?«
»Chira gehört Rulfan.« Matt deutete auf die Kutsche, in dem sein Freund schlief. »Könnte jemand etwas dagegen haben, wenn wir sie zu ihm lassen?«
»Almira vielleicht.«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte Almira durch das Fenster.
»Ich mag Tiere gern, sofern nicht beißen.«
»Oder stechen.« Noah seufzte.
Matt ließ Chira in die Kutsche, und sie nahm sofort Rulfans Witterung
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