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2112 - Verschollen in Tradom

Titel: 2112 - Verschollen in Tradom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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mir herüber.
    „Darf ich mich zu dir setzen?", fragte sie. „Dieser ... Exkurs ist nicht ganz nach meinem Geschmack."
    „Bitte", sagte ich und deutete auf die freien Sitzgelegenheiten.
    Die Kara war beträchtlich kleiner als ich, vielleicht anderthalb Meter groß, bewegte sich aber so geschmeidig, dass ich das, was man über sie erzählte, vorbehaltlos glaubte. Rishkanische Kara galten als extrem wendige Kämpfer mit großer Körperkraft. Davon kündeten auch die stämmigen Beine und die vier muskulösen Arme.
    Dass es sich bei diesem Bewohner des Planeten Rishkan um ein weibliches Exemplar handeln musste, war mir sofort klar, auch wenn ihre vier kleinen, als Doppelpaar übereinander angeordneten Brüste unter ihrem gar nicht so weiten Gewand kaum zu erahnen waren.
    „... der Erzähler ist Teil der Fiktion, also das fiktive Aussagesubjekt", fesselte die Philosophin ihre Zuhörerschaft weiterhin.
    Weibliche Kara sind in ganz Tradom häufig anzutreffen, doch männliche verlassen ihre Heimat so gut wie nie. Sie sind fern von Rishkan und ohne weibliche Fürsorge hilflos. Es sind stets die weiblichen, die ins Reich ausziehen, und zwar lediglich junge. In der Regel kehren sie spätestens, wenn sie ihre zweite Lebenshälfte erreicht haben, in die Heimat zurück und widmen sich der Gemeinschaft.
    „... die Besonderheit der Ich-Erzählung ist, dass der Erzähler mit einer Figur auf der Handlungsebene identisch ist, also eine Geschichte erzählt, die er selbst erlebt hat..."
    „Du interessierst dich nicht für Literatur?", fragte ich.
    „Doch, schon", erwiderte sie. „Aber nicht in solchem Maße. Ich bin übrigens Ascarde."
    Irgendwie wirkte die Kara auf mich fremdartig. Sie besaß ein stark ausladendes Hinterhaupt, so dass mir ihr Gesicht klein und nach unten verschoben erschien. Statt einer Nase zierten es drei übereinander angeordnete Riechöffnungen, und die Ohrmuscheln waren sehr lang und schmal. Ihr feuerrotes, ganz kurz geschnittenes Haar erinnerte mich an eine Stahlbürste. Doch ihre großen, mandelförmigen, hellgrauen Augen waren wunderschön und funkelten vor Intelligenz und Mitgefühl.
    „... der Er-Erzähler ist an der Handlung nicht beteiligt. Er erzählt sie. Er ist objektiv und mehr oder weniger allwissend ..."
    Ich stellte mich ebenfalls vor und fragte: „Ist das deine erste Reise?"
    Ascarde lachte hell auf, ein Geräusch, das so gar nicht zu ihrem eher stämmigen, grobschlächtigen Körper passte. Aber nicht der geringste Hohn oder Spott schwang darin mit, höchstens eine gewisse Erheiterung ... und vielleicht Sehnsucht.
    Fernweh ...?
    Ein Lächeln legte sich auf ihr kleines Gesicht, und ihr feuerrotes Haar schien sich leicht zu kräuseln. „Nein, ich bin schon weit herumgekommen, sehr weit." Ihr Blick wirkte plötzlich entrückt. „Ich habe sogar schon das Auge Anguelas selbst gesehen."
    „Das Auge Anguelas?", wiederholte ich. Aber nicht ungläubig - ich bezweifelte keinen Herzschlag lang, dass die Kara die Wahrheit sprach -, sondern ehrfürchtig. „Und?"
    „Und was?"
    „Und wie ist Anguela?"
    „Du meinst die gottähnliche, alles beschützende Macht, die alles sieht und für die Lebewesen in ihren Galaxien sorgt und angeblich im Auge ihren Sitz hat?"
    „Natürlich. Was denn sonst?"
    Ascarde schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich kann dir diese Frage nicht beantworten. Anguela hat sich mir nicht offenbart. Ich habe nur eine Glutzone von etwa 5000 Lichtjahren Durchmesser gesehen, die Teil der Sternenbrücke zwischen Tradom und Terelanya ist."
    Die Seele in meiner Brust war plötzlich kalt und leer. „Anguela, du alles beschützende Macht...", murmelte ich.
    „Aber das heißt natürlich nicht, dass Anguela nicht existiert", sagte Ascarde schnell. „Wie könnte die Macht sich auch jedem offenbaren, der zufällig in ihrer Nähe weilt? Anguela ist mit jedem von uns, mit jedem in Tradom, Terelanya, Terenga und Irsatur, den Galaxien des Auges, nicht nur mit denen, die am Auge selbst weilen."
    „Du hast natürlich Recht", sagte ich.
    Ich tadelte mich, dass ich an Anguela gezweifelt hatte, und Ascardes Worte machten mir klar, wie wenig ich überhaupt wusste. Nicht nur über die gütige Macht, sondern auch über die Galaxien des Auges. Diese vier Namen waren im Grunde leere Begriffe für mich. Schon allein Tradom ist so riesig groß, dass ein einzelnes Gehirn nicht einmal die Namen des tausendsten teils aller bewohnten Welten behalten kann.
    Es war seltsam, und ich habe so etwas nie wieder

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