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2113 - Gefangen in der Zitadelle

Titel: 2113 - Gefangen in der Zitadelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Kontinente, grün, braun und schwarz, umgeben von tiefem Blau, das plötzlich zu Blaugrün wurde, und dann sah ich Ebenen und Gebirge und ... Städte? Und ich sah die Geschwindigkeit der ZIGZAG auf den Anzeigen und die Entfernung zur Planetenoberfläche und ich wusste, der Absturz würde zur Katastrophe werden.
    Und dann war die Oberfläche des Sauerstoffplaneten direkt vor mir, und ich sah gar nichts mehr, ich hörte nichts mehr, ich fühlte nichts mehr.
     
    *
     
    Dann, eine Ewigkeit später, fühlte ich einen Schmerz, wie ich ihn noch nie empfunden hatte. Einen Schmerz im Zentrum meines Seins. In meiner Brust.
    Ich hörte das Zischen von undichten Leitungen, das Prasseln von ungelöschten Bränden, das Stöhnen von sterbenden Besatzungsmitgliedern.
    Ich sah graue Schemen, die sich nur langsam zusammensetzten. Konsolen, die zerschmolzen waren, Positroniken, aus denen Funken sprühten, Stationen, die zu surrealen Gebilden komprimiert worden waren, denen ich nicht mehr den geringsten Sinn entnehmen konnte.
    Ich lebte noch. Aber nur knapp, und ich fühlte einen grausamen Schmerz in meiner Brust, und das alles war nur ein Traum, und ...
    Ich hörte ein schrilles Wimmern.
    Tratto!
    Verwundert registrierte ich, dass es in der Zentrale hell war, viel zu hell für den blauen Schimmer der Notbeleuchtung, und dann sah ich den gewaltigen Riss, durch den das Tageslicht fiel, und mir wurde klar: Der Frachter war beim Aufprall zerborsten.
    Aber ich lebte noch! Und Tratto auch! Und vielleicht auch Pirguso und ...
    Müßige Gedanken. Ich richtete mich auf die Ellbogen auf und sah sofort Tratto. Ihr dichtes, graubraunes Fell hatte sich mit dickflüssigem, schon geronnenem und verhärtetem Rot voll gesogen, und die starken, muskelbepackten Glieder kamen mir seltsam verzerrt und verkrümmt vor.
    Es fiel mir unendlich schwer, mich vollends zu erheben, doch irgendwie schaffte ich es, und ...
    Und dann sah ich meine eigene Verletzung.
    Ich sah die Brustverletzung, die fürchterliche Wunde, die das Kind beinahe von meinem Leib gerissen hatte. Ich spürte, wie alle Wärme aus dem Bündel Leben floss, wie es sich in eine Leiche verwandelte, wie die Nabelschnüre und Bänder sich lockerten und schließlich das leblose Kind von meiner Brust fallen ließen.
    Ich hörte auf zu denken; nur das konnte mich vor dem Wahnsinn schützen. Ich bekam kaum noch mit, wie Tratto sich auf die Beine kämpfte und ich meine taumelnde Freundin mit einer wahnsinnigen, unmöglichen Anstrengung aus der Zentrale schleppte.
    Vielleicht schleppte sie auch mich, ich weiß es nicht mehr.
    Überall loderten Feuer und glühten Brandherde, flüssiges Metall tropfte auf uns herab, trotz der schweren Montur und der Stiefel spürte ich die grausame Hitze unter meinen Fußsohlen, und wir taumelten weiter, stützten uns gegenseitig, weiter, immer nur weiter ...
    Irgendwann kletterten wir eine Wand hinauf, die eigentlich ein Boden war, und rollten dann auf der anderen Seite wieder hinab, und die Luft, die wir atmeten, war nicht mehr ganz so rauchgeschwängert, und irgendwann schmeckte sie sogar tatsächlich wieder wie Luft und nicht mehr wie Feuer, und ich brach zusammen.
     
    *
     
    Als ich das Bewusstsein zurückerlangte, hatte das Wrack aufgehört zu brennen. Es war eine kalte, metallene Masse, verzerrt zu abstrusen Formen, die nichts mehr mit einem Raumschiff zu tun hatten.
    Anguela, dachte ich, du hast mich in Versuchung geführt, und ich bin dieser Versuchung erlegen.
    Ich kann meinem Schicksal nicht entfliehen. Ich bin kein Archäologe, sondern der designierte Landesherr von Pombar.
    Aber es war zu spät.
    Ich spürte ein warmes, feuchtes Bündel Fell neben mir, und unter größten Mühen gelang es mir, den Kopf zu drehen.
    Neben mir lag Tratto. Aber ich sah sofort, auch meine Freundin lag im Sterben. Ich machte Wunden an ihrem pelzigen Körper aus, die viel zu tief waren, als dass irgendjemand ohne medizinische Ausrüstung sie schließen könnte.
    Ich wimmerte leise auf. Tratto. Sie war irgendwie immer für mich eingetreten. Vorhanden gewesen.
    Sie hatte gelogen, mich getäuscht, aber mein Leben gerettet, so, wie ich das ihre gerettet hatte. Sie war ... meine Freundin.
    Die einzige, die ich über ein Jahrzehnt hinweg gehabt hatte. Auch wenn ich sie vergessen, sie nie richtig gewürdigt, sie ständig der Archäologie geopfert hatte.
    Tratto ...
    Sie drehte den Kopf, und ich sah, welche Qualen es ihr bereitete. Sie sprach, und ich sah, wie schwer es ihr fiel.
    Anguela,

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