2116 - Sturm auf den Irrläufer
Technik aus den Werkstätten von Quinto-Center. Sie stellte ihn auf Desintegratormodus bei einer Reichweite von zwei Zehntelmillimetern. Vorsichtig begann sie, einen Teil des Kampfanzugs abzuschneiden und den Körper um die Wunde herum freizulegen. Ebenso verfuhr sie mit der Unterwäsche und dem Körperfell. Ein Stück hellgrünen, luftdurchlässigen Stoff legte sie auf den offenen Mund des Schwerverletzten. Je mehr Blutstropfen durch den Hohlraum trieben, desto schneller wuchs die Gefahr, dass Gucky an seinem eigenen Blut erstickte.
„Nimm es mir nicht übel, Kleiner", sagte sie. „Aber ich muss es tun."
Der Ilt reagierte nicht auf ihre Worte. Sein Brustkorb hob und senkte sich kaum merklich. Der Überwachungssyntron gab Tynka ein Signal, dass auch die Pulsfrequenz deutlich nachließ.
Die Siganesin aktivierte das medizinische Notprogramm. Der Syntron ihres Anzugs projizierte energetische Felder in den Körper des Ilts. Sie legten sich um die Herzmuskeln und die Lungenflügel. In sanften, rhythmischen Wellen massierten sie die Organe und regten sie so zu stärkerer Tätigkeit an. Eine Stunde etwa, die Wirkung des Aktivators eingerechnet, konnte Guckys Kreislauf so in Schwung gehalten werden.
Auf dem Bauch kroch die Kommandantin an den blutenden Abgrund. Der Helmscheinwerfer warf einen grellen Lichtstrahl in das Dunkel der Wunde. Unzählige Adern und Äderchen sonderten Blut ab, manche mehr, manche weniger. Tynka entdeckte zwei riesige Röhren. Sie waren zerrissen, die Enden hingen in Fetzen. Das waren Schlagadern. Aus ihnen quoll in Zeitlupe eine Unmenge an Blut.
Da war nichts zu machen. Der Gedanke, die zerfetzten Enden miteinander zu verkleben und die reguläre Blutzirkulation wiederherzustellen, überstieg ihre Möglichkeiten.
Tapfer kämpfte die Siganesin das in sich aufsteigende Ekelgefühl nieder. Sie konzentrierte sich auf die wissenschaftlichen Aspekte. Ohne den Eingriff würde Gucky verbluten. Selbst energetische Felder konnten nicht verhindern, dass sich die Blutgerinnung irgendwann wie ein Geschwür nach innen fraß und die Adern verstopfte.
Es sei denn, sie unterbrachen den Blutfluss. In beiden Fällen war ein Schlaganfall die zwangsläufige Folge.
Vorsichtig schob Tynka Mintcoo die Beine über den Abgrund. Der Körper folgte. Schließlich befand sich nur noch ihr Kopf außerhalb der Wunde.
Mit Hilfe des Gravoprojektors ihres Anzugs sank sie langsam tiefer. Kleine Adern ignorierte sie. Die großen Blutgefäße waren es, aus denen nach und nach das Leben entwich. Wenn sie die abgerissenen Enden zuschweißte, brachte sie Gucky in eine ebenso große Gefahr, wie die Blutgerinnung sie darstellte. Verschlossene Adern führten zu Blutstau. Die Verschlüsse waren nichts anderes als Pfropfen, die Venen oder Arterien verstopften. Auch hier war der Schlaganfall die unmittelbare Folge. Meist zerstörte er wichtige Teile des Gehirns, wenn der Patient nicht binnen kurzer Zeit die richtigen Medikamente erhielt. Tynka scheuchte die Gedanken hastig davon. Sie schaltete ihren Strahler auf Paralyse und lahmte den zerfaserten Rand einer Ader. Anschließend schaltete sie in den Thermomodus um. Ein feiner Strahl löste sich aus der Mündung. Unmittelbar vor der Ader fächerte er auseinander. Das Gewebe bog sich unter der Hitze nach innen, nahm eine halbfeste und teilweise flüssige Konsistenz an.
Aus zusammengekniffenen Augen starrte die Siganesin in das grelle Licht. Die Hitze entfachte einen mittleren Sturm in der Wunde. Tynka trieb ein Stück ab.
Die Energie hatte gereicht. Die Ader war verschweißt. Nicht fachmännisch glatt, sondern mit Blasen und Beulen. Mit gezielten Schüssen höherer Energie und stärkerer Fokussierung schoss sie im Nachhinein ein Dutzend winzige Öffnungen in ihr Werk, perforierte es quasi. Sofort drang Blut heraus. Es verhinderte eine Stockung, sorgte aber dafür, dass sich der Blutverlust in Grenzen hielt.
Insgesamt ein halbes Dutzend großer Adern entdeckte und verschweißte die USO-Spezialistin auf diese Weise, ehe sie weiter in die Tiefe vorstieß. Zwei riesige, pulsierende Beutel tauchten im Licht des Helmscheinwerfers auf. Kein Zweifel, es waren die beiden unteren Herzkammern. Das äußere Gewebe wies Risse auf. Die Kammern selbst waren unversehrt. Das Schwert war schräg von unten und dicht unterhalb des Rippenbogens in den Brustkorb eingedrungen. Es hatte das Herz knapp verfehlt, die beiden Herzkammern dabei nach oben gedrückt und war tief in den Körper vorgestoßen.
Tynka
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