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212 - Beim Stamm der Silberrücken

212 - Beim Stamm der Silberrücken

Titel: 212 - Beim Stamm der Silberrücken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Wir können das unter keinen Umständen verantworten!«
    Wir – das waren er und Carol Berger.
    Seit ein paar Monaten ließ das Paar keine Gelegenheit aus, Entscheidungen zu treffen, die nicht mit dem gesamten Überlebensrat abgesprochen waren. Die meisten Bewohner des Wracks akzeptierten das klaglos. Nicht einmal Fisher, der sonst so viel Wert darauf legte, dass man sich seine Vorträge anhörte und möglichst beherzigte – nicht einmal er erhob noch Widerspruch. Seit ein paar Wochen redete der kleine Mann sowieso kaum noch etwas. Percival und Leila hatten den Eindruck, dass er unter schweren Depressionen litt.
    »Euer beider Entschluss ist nicht der Entschluss des gesamten Überlebensrates«, erklärte Percival. »Wir haben Gesprächsbedarf, scheint mir.«
    »Wir nicht«, entgegnete Carol ungerührt. Unter einem Löwenfell, das sie über den Schultern trug, drückte sie einen Säugling an die Brust und stillte ihn; Goodmans Sohn. »Diese Leute da draußen sind hungrig. Wir haben nicht genug zu essen, um mit ihnen zu teilen.« Zustimmendes Geraune erhob sich unter den Wrackbewohnern. Fast alle Frauen, Männer und Kinder an Bord spitzten die Ohren. »Und gesund sehen sie mir auch nicht aus«, fügte Carol mit unverhohlenem Ekel auf den Gesichtszügen hinzu. »Wer weiß, welche Keime sie uns hier einschleppen würden.« Zustimmendes Geraune wurde laut.
    Leila drückte die Stirn an die kalte Scheibe des Flugzeugfensters. Es war düster draußen. Graue Schneeflocken schwebten aus einem rötlich-grauen Himmel. Der Kilimandscharo war nicht zu sehen. Unter dem Affenbrotbaum hatten die Massai ein paar Planen ausgespannt. Unter diesem Unterstand drängten sich elf Erwachsene und suchten Schutz vor dem Schneefall. So weit Leila sehen konnte, hatten die Massai drei größere und zwei kleine Kinder dabei.
    »Sie werden sterben.« Leila wandte sich der stillenden Carol zu und sah ihr in die Augen. »Wenn wir sie nicht hereinlassen, werden ihre Kinder sterben.« Carols bleiches Gesicht schien aus Kalkstein gemeißelt.
    »Das ist nun mal der Lauf der Dinge«, antwortete Goodman anstelle seiner aktuellen Lieblingsfrau. »Hoffen wir, dass sie es nicht direkt vor unserer Haustür tun. Jedenfalls bleiben sie draußen, und Punkt!« Von etlichen Sitzreihen her erhob sich Beifall; zaghaft zunächst, dann immer energischer.
    Major Mogbar erhob sich und baute sich vor dem um einen halben Kopf größeren Goodman auf. »Was geht hier eigentlich vor?«, blaffte er mit heiserer Stimme. Obwohl es im ganzen Flugzeug keinen Schuss Munition mehr gab, trennte er sich so gut wie nie von seinem automatischen Gewehr. »Was ist das hier, Doktor Kevin? Ist das ein Putsch, oder was?«
    Goodman blickte sich um. »Ist hier irgendjemand, der gegen mich und Carol putschen will?« Niemand antwortete. Ein paar weiße Männer grinsten breit. Der ehemalige Banker wandte sich wieder an Mogbar. »Merkst du’s, Bursche? Es gibt keinen Putsch.«
    »Hör zu, Goodman – du überspannst den Bogen!«, zischte Mogbar. »Tom, Leila und ich sind dafür, die Massai aufzunehmen. Also seid ihr überstimmt! Noch Fragen?« Er machte Anstalten, sich an Goodman vorbeizudrängen.
    Der packte ihn am Arm und hielt ihn fest. »Du vergisst Ron, Bursche!«
    »Fisher sagt schon lange nichts mehr.«
    »Und du vergisst das Volk.« Goodman blickte nach links und rechts. »Ist hier irgendjemand dafür, dass wir die Schwarzen reinlassen?!«, rief er mit erhobener Stimme. Einige Leute schüttelten die Köpfe. Aus dem Halbdunkel des Heckbereichs ertönten ein paar eindeutig vernehmbare Ablehnungen. Goodman blickte dem Major ins Gesicht. »Noch Fragen?«
    Als wäre sie Schmutz, fegte Major Mogbar die Hand des ehemaligen Bankmanagers von seinem Arm. Mit der Schulter stieß er ihn beiseite und stapfte in Richtung Cockpit.
    »Wenn euch das Wohl dieser Wilden da draußen so am Herzen liegt, dann zieht doch mit ihnen und helft ihnen ein bisschen beim Überleben!«, rief Goodman. Major Mogbar schnaubte verächtlich, sah sich nicht mehr nach dem Weißen um, sondern drängte sich an den Männer und Frauen im Mittelgang vorbei und marschierte zur vorderen Luke. Jedem war klar, was er vorhatte.
    »Sag ihm, dass er sich auf seinem Schlafplatz verkrümeln und Ruhe geben soll!«, wandte Goodman sich an Percival.
    Percivals Kaumuskeln arbeiteten. Aus schmalen Augen fixierte er den ehemaligen Banker. »Wenn Mitleid und Menschlichkeit bei uns auf der Strecke bleiben, sind wir erledigt«, sagte er.

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