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212 - Beim Stamm der Silberrücken

212 - Beim Stamm der Silberrücken

Titel: 212 - Beim Stamm der Silberrücken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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gerissen.
    »Du bist es.« Sie beugte sich zu ihm. Mit den Fingerkuppen tastete sie sein Gesicht und seine Arme ab. Die Narben der Kratzspuren auf Rulfans weißer Haut waren kaum noch zu erkennen, doch wer genau hinsah, erkannte die eine oder andere Stelle der alten Verletzungen. Fast wäre Rulfan damals im Wundfieber gestorben. »Du bist es…«
    Sie nahm ihre Hand wieder zu sich und betrachtete ihn.
    Alles Weiche wich aus ihren Zügen und eine steile Falte grub sich zwischen ihre Brauen ein. »Weh!« Sie fuhr sich über die Narbe. »Großer Schmerz!« Wütend funkelte sie ihn an.
    »Schmerz!« Sie boxte ihn gegen die Schulter.
    Rulfan hielt ihre Hand fest. »Ihr habt einen dieser Leute umgebracht, wie Bestien seid ihr über sie hergefallen! Und mit deinen dreckigen Fingernägeln hättest du mich fast umgebracht!«
    »Du mich!« Sie boxte mit der anderen Faust. Rulfan hielt auch sie fest. Ein Schwall von Worten ging über ihm nieder, von denen er nur die Hälfte verstand: Die Leute, die sie damals überfallen hatten, hätten einen jungen Zilverbak entführt und getötet, und warum er sich überhaupt eingemischt hatte, und wie er ihre Entstellung nun wieder gut machen wollte – ungefähr das war es, was er begriff.
    Als ihr Zornausbruch endlich vorüber war – fürs Erste jedenfalls – sah er sie lange an. Sein Mund wurde trocken. An den Handgelenken zog er sie zu sich, so nah, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten. Ja, da war er wieder, dieser herbe und zugleich süßliche Geruch. Sie roch nach Erde, Fluss und Wald. »Du bist nicht entstellt«, sagte er heiser. »Du weißt ja gar nicht, wie schön du bist…«
    Ihre Augen weiteten sich, der Zorn wich aus ihrer Miene.
    Sie entzog ihm ihre Hände, kroch zwei Schritte weg von ihm und setzte sich wieder auf ihre gekreuzten Beine. »Gefangene für euch.« Sie zeigte auf Rulfan und mühte sich um eine förmliche Miene. »Kamshaas und Efrant für uns.«
    »Nichts da. Ihr gebt alles zurück, was ihr geraubt habt. Auch die Tiere.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Unser Jagdrevier! Kamshaas und Efrant für uns! Als Strafe!«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage! Ihr rückt die Tiere raus und lasst die Gefangenen frei, und dann vergessen wir, was passiert ist!«
    Ihre Augen wurden schmal. Jetzt schlug ihm wieder das pure Misstrauen entgegen. »Reden mit Borr.« Sie gestikulierte und sagte ein paar Worte, die Rulfan wieder nur teilweise verstand und aus denen er schloss, dass sie seine Forderung ihrem Anführer überbringen und danach mit dessen Antwort zurückkehren wollte.
    »Gut«, sagte er. »Einverstanden.«
    Sie stand auf, drehte sich um und lief in den Fluss. Nicht das kleinste Muskelspiel ihres Rückens, ihres Hinterns und ihrer Schenkel entging Rulfan. Ihm wurde heiß und kalt. Als sie endlich ins Wasser sprang und zurück zu ihren Gefährten schwamm, stand auch er auf und watete in den Fluss.
    Als er ins Wasser eintauchte, überkam ihn auf einmal das Gefühl, als würde er diese Frau schon immer kennen, ja, als hätte er sein Leben lang nach ihr gesucht.
    ***
    Nordufer des Amboselisees, Kenia, 2017 und Anfang 2018
    Tage und Nächte waren kaum noch voneinander zu unterscheiden. Der afrikanische Winter war so streng gewesen, dass der See zufror. Sie hatten in einem verlassenen Camp an seinem Nordufer überlebt. Nach monatelanger Wanderung hatten sie dort Zelte, Hütten und drei Geländewagen gefunden.
    In einem entdeckte Major Mogbar fast zweihundert Schuss Munition für sein automatisches Gewehr. Nur Leila und Percival wussten davon.
    Auf der langen Wanderung vom Flugzeugwrack zum verlassenen Camp am nördlichen Seeufer lebten sie vom Fleisch der Toten und von entkräfteten Tieren, die sie im Schnee fanden. Auch Mogbars Leutnant, Daniel Kayonga, hatten sie gegessen.
    Für Percival und Leila waren diese ersten Monate bei den Massai eine harte Zeit gewesen. Die Nomaden würdigten sie keines Blickes. Die Schwarzafrikaner aus dem Flugzeugwrack sprachen nur das Nötigste mit den beiden Weißen; vermutlich, um es sich nicht mit den Nomadenkriegern zu verderben. Nur Major Mogbar hielt zu ihnen. Vor allem um Leila kümmerte er sich in jeder nur denkbaren Weise.
    In der Regenzeit des Sommers 2016 – diesmal schneite es nicht – stießen sie auf das Camp und richteten sich darin ein.
    Sie lebten von Fisch und von Wasservögeln. Im Juni fror dann der See zu und es begann zu schneien. Die Männer schlugen Löcher ins Eis. Hin und wieder ging ihnen außer Fischen auch ein

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