212 - Das Skelett (German Edition)
hin.
Mann, bei anderen dauert es immer erheblich länger, bis ich ihnen Emotionen entlocke. Das gefällt mir, wirklich. Dann gibt es noch die, die alles schlucken, weil sie im beheizten Arsch von Artjom Chlebnikov wohnen wollen. Schön, dass Sie zu dieser Sorte schon mal nicht gehören.«
Er reichte mir seine verschwitzte Hand, natürlich konnte ich sein Friedens angebot nicht ausschlagen und setzte mich zerknirscht wieder hin.
»Ich bin Chirurg und in meinem Bereich Perfektionist, aber nicht unbedingt ein guter Kaufmann. Sicherlich habe ich Fehler gemacht oder zugelassen, ja und? Meine Noch-Ehefrau, steht auf Frauen und hat mir schwer zu ertragende Hörner aufgesetzt, ja und?
Sagen Sie , was Sie vortragen möchten, aber bitte ersparen Sie mir ihr unsinniges Geschwafel. Auch ich bin nicht vollkommen oder kann alles!«
» Das sollen Sie auch gar nicht, Dr. Dachsler. Kein menschliches Wesen wird dem gerecht, dass genau ist der wunde Punkt eines jeden. Wissen Sie, warum Artjom Chlebnikov heute zum Kreis des wirklichen Superreichen gehört?
Warum er und sein bester Freund Michail heute überhaupt noch leben oder nicht im Gefängnis verweilen?
Warum keine Strafverfolgungsorgane an ih n herankommen? Warum er immer reicher wird, ohne auch nur einen Finger zu krümmen?
Ich könnte diese Liste beliebig erweitern .«
Roger holte tief Luft und machte eine Pause, also sollte ich wohl antworten.
»Weil er besonders clever und dreist sowie enormes Glück hatte? Ich weiß es nicht, sagen Sie es mir.«
Roger rülpste leise und setz te neu an:
»Ohne Frage hat er seine Talente zur richtigen Zeit eingebracht und dann rücksichtslos seine Interessen vertreten. Eine Menge Glück war sicherlich auch dabei. Aber ausschlaggebend, warum er diese heutige Qualität auf allen Ebenen erlangt hat, war etwas anderes. Gehen wir zurück ins Jahr 1997. In diesem Jahr suchte Artjom die Kanzlei meines Vaters in London auf, seines Zeichens auch Rechtsanwalt. Ich weiß nicht, wie viele Millionen Artjom bis dahin schon gescheffelt hatte, dementsprechend benahm er sich. Mein Vater hat ihn mal so beschrieben:
„ Er denkt, dass materieller Reichtum ihn unantastbar macht. Er gibt eine Menge seines Geldes für exorbitant teure Luxusgüter aus. Artjom ist ungebildet und hat sicherlich noch nie ein Buch in seiner Hand gehabt, außer vielleicht ein Sparbuch einer Bank. Artjom hat nie Zeit, ist immer auf dem Sprung und hypernervös. Kunst und Kultur beschränken sich bei ihm auf Actionfilme. Artjom denkt, nein, er ist überzeugt davon, der einzige Weg, andere zu beeindrucken, sei, indem man eine dicke goldene Uhr trägt, die teuersten Automobile fährt und eine überdimensionale Luxusvilla sein eigen nennt.“
Nun, dazu muss ich sagen, dass mein Vater erzkonservativ war, denn er ist leider letztes Jahr verstorben. Es ist ja toll, wenn man sich schöne Dinge leisten kann.
A ber muss man alles derart zur Schau stellen, dass es zu sehr auffällt und Neider, Denunzianten und andere Verrückte auf den Plan ruft, und die vielleicht auf dumme Gedanken kommen?
Wie gesagt, das war Artjoms Stand im Jahr 1997. Mein Vater wurde so etwas wie sein Mentor, ja man kann sagen, er hat ihn auch ein wenig erzogen, z ur Vernunft zu kommen und seine Talente in die richtigen Bahnen zu lenken. Und alles, was man selbst nicht kann, jemandem zu überlassen, der es halt besser erledigt. Seitdem gibt er einen großen Teil seines Einkommens für exzellente Fachleute aus und schläft seitdem ruhiger. Artjom umgibt sich mit den Besten der Besten. Seitdem hatte er nie wieder Konflikte mit anderen Verbrechern oder mit irgendwelchen Ermittlungs- oder Finanzbehörden.
Ve rmeidbare Fehler jedweder Art werden schon im Vorfeld aller Aktivitäten weitestgehend ausgeschlossen. Wussten Sie, dass die einflussreichsten Verbrecher dieser Erde in vielen Fällen erst durch Steuerdelikte zu Fall gebracht wurden? Ja, das ist Fakt! Die meisten davon wären unbehelligt geblieben, wenn sie sich mit Spezialisten ihres Fachs umgeben hätten. Diese Profis aber müssen ausgesiebt, sprich gefunden werden, und sie lassen sich für ihr spezielles Können dementsprechend bezahlen. Hier liegt die Krux, auch bei Ihnen, Dr. Dachsler. Sie erlagen dem Momentum, Gewohntes hinzunehmen, nicht zu hinterfragen und nicht zu vergleichen. Ihre Steuerberater, alle drei sind Buchhalter, die nur ihre Unterlagen verwalten.
Sie sind juristisch nicht ausgebildet und können die Zusammenhänge zwischen Steuer-
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