212 - Das Skelett (German Edition)
Hotelrestaurant.
Ich freute mich auf mein bestelltes Steak, in der Hoffnung, dass mir nun meine Geschmacksnerven keinen Streich mehr spielen würden. Mein Wodka-Martini schmeckte schon mal – und dann verging mir alles.
Genau in meiner Blickrichtung hing ein großer Flachbildschirm, der Ton war leise gestellt. Ich schaute in das Gesicht von Charlotte Rosenberg, über ihr em eingeblendeten Bild prangte eine Schlagzeile: „Milliardenerbin tot in einem Hamburger Hotel aufgefunden. Charlotte Rosenberg erlag einem Herzinfarkt. Eine Diamantendynastie …“
Ja, Myokardinfarkt hatte ich als Todesursache im Totenschein eingetragen. Das stimmte . Ich war geschockt und irritiert, nannte dem Kellner meine Zimmernummer für die Rechnung und verließ den Gastronomiebereich. Er fragte noch, ob sie mir das Essen aufs Zimmer bringen sollten, ich verneinte.
Mein Bärenhunger war urplötzlich verflogen.
Ich brauchte weitere Informationen für mein Gemüt, für mein Gewissen. Mit solchen Nachrichten war doch zu rechnen, warum lief es mir eiskalt den Rücken herunter?
Ich sollte es bald erfahren .
Leider hatte ich meinen Laptop im Büro liegen lassen. So googelte ich am Computer im Empfangsbereich des Concierge, der si ch über einen Fünfziger für zwanzig Minuten sichtlich freute. Als er mein versteinertes, schneeweißes Gesicht sah, fragte er mich, ob ich schreckliche Nachrichten gelesen habe. Ich nickte nur mit dem Kopf und schlich auf mein Zimmer. Zuvor hatte ich noch den Verlauf meiner angeschauten Internetseiten gelöscht. Ich wollte nicht, dass er das alles nachlas, falls er ein neugieriger Mensch sein sollte. Was für eine Posse - sie hatten mich hereingelegt. Nicht einmal hatte ich nach der Patientenakte von Charlotte gefragt.
Nicht einmal habe ich die Familie Rosenberg gegoogelt. Wie einfach war ich zu manipulieren, was würde noch so alles folgen?
Ich war so aufgebracht, dass ich mich einfach nicht beruhigen konnte. In dieser Verfassung griff ich nach meinem Handy und rief Dawid Rosenberg an. Sein Handy war aus - er hatte Glück. Und dann wählte ich die Nummer von Artjom – dem Meisterstrategen.
Ich wählte falsche Worte, weil meine Gefühlswelt völlig aus den Fugen geraten war. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle und das war dumm. Sehr dumm.
» Hallo Henryk, schön, dass du dich meldest, ich hatte schon versucht, dich zu errei … «
Ich fiel ihm ins Wort:
» Du kannst dir deine scheißfreundliche Art sonst wo hinschieben. Ihr seid geisteskranke Tiere! Ich werde Dawid, dich und andere aus deinem Clan zu Fall bringen, wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst. Schreib dir das hinter deine Schweineohren ! «
I ch drückte das Gespräch weg, stellte mein Handy aus, entnahm die Chipkarte und steckte sie in meine Hosentasche. Das Handy schmiss ich mit voller Wucht gegen die wundervoll tapezierte Wand, es zerfetzte in tausend Teile. Mir war alles egal.
Hastig packte ich meine Sachen zusammen und checkte aus. Wohin sollte ich? Wem konnte ich noch vertrauen? Was wollte ich überhaupt? Glaubte ich wirklich, Artjom würde über so einen Affront hinwegsehen? Oder sollte ich zur Polizei gehen, was sollte ich denen erzählen? Dass ich einen Teenager ermordet und dafür viel Geld erhalten habe? Dass ich zu einem bezahlten Auftragsmörder mutiert war? Und bald noch als Metzger aktiv sein sollte. Dass mein Handeln und Tun nur noch auf niederen Instinkten beruhte, und ich überwiegend von meinem Sexualtrieb gesteuert wurde?
Wenn ich noch einen Funken Verstand in mir gehabt hätte, dann wäre es ein Leichtes gewesen, die Situation aufzulösen. Ich hätte Artjom nur noch mal anrufen sollen, - das tat ich aber nicht. Ich war einen tödlichen Kontrakt eingegangen, aber ich wollte alles Geschehene nur noch vergessen oder besser rückgängig machen. Das ist ja bekanntlich unmöglich.
Eine irre Verzweiflung trieb mich an, aber niemand kann sich vor der Wirklichkeit und ihrer daraus resultierenden Verantwortung verstecken. Vor allem nicht vor einer Verbrecherorganisation, die ein Artjom Chlebnikov anführte.
Aber mit diesem Tunnelblick konnte ich meine wirren Gedank en nicht mehr rational einordnen.
Ich wollte nur weg von all dem Dreck und dann in Ruhe überlegen, wie es weitergehen sollte. Da ich aber die Selbstbestimmung über mein Leben an dem Tag, als ich Artjom kennengelernt hatte, verlor, kam es so, wie es kommen musste.
Kapitel 1 8
Meine Erfahrung in Flüchten und Verstecken war ja über Jahre
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