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212 - Das Skelett (German Edition)

212 - Das Skelett (German Edition)

Titel: 212 - Das Skelett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Graser
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Schwellungen übersät sein und mein Gesicht? Ich wollte es gar nicht sehen, da ich diese farbenreichen Bilder zur Genüge kannte. Von Patienten, schön weit weg von meiner Person.
    Die ersten Tage meiner Genesung waren die Hölle, unsägliche Schmerzen und ungeahnte Probleme bei der Nahrungsaufnahme setzten mir zu. Da ich aber nicht über eine Magensonde ernährt werden wollte, quälte ich mich mit leichter, breiiger Kost. Wenn ich mit meiner Rekonstruktion der Ereignisse nicht gänzlich falsch lag, hatte Michail mich „nur“ drei Mal geschlagen. An drei neuralgischen Stellen, aber mein ganzer Körper fühlte sich an, als wenn ich durch einen Fleischwolf gedreht worden bin. Das waren prägende Erfahrungen!
    Am liebsten wäre ich gleich gestorben, aber derzeit war ich noch nicht wirklich so weit.
    Ich dachte an meine ersten Krankenhausjahre in der Notaufnahme, wenn kein Kieferchirurg anwesend war , und ich solche Brüche mitbehandelte. Wie viele Idioten, die in irgendwelche sinnlosen Schlägereien geraten waren, hatte ich behandelt? Ich habe mit zweierlei Maß geurteilt. Für diese Leute hatte ich nicht im Geringsten Verständnis oder gar Mitleid. Vielleicht waren ja doch einige dabei, die nichts für ihr Elend konnten? Ich sah immer nur Patienten ohne Gesichter, nie sich quälende Menschen oder gar ihre schicksalshaften Erlebnisse.
    Mann, war ich ein arroganter und ignoranter Armleuchter!
     
     
     
    Ein freundlicher Polizist aus Scharbeutz war zweimal bei mir und wollte meine Aussage aufnehmen, aber ich hatte so meine Sprachprobleme. Er meinte, es eilt nicht.
    Wenn nicht zufällig ein Zeuge auftauchen würde, wären die Täter mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso nicht zu ermitteln. Ja, er hatte richtig Biss und Erfahrung, der Gute.
    Meine Eltern ha ben mich nach drei Tagen besucht, ich freute mich wirklich, jemanden Vertrauten zu sehen. Sie blieben keine zehn Minuten und hatten null Verständnis für mich.
    Sie konnten ihr borniertes Denken einfach nicht mal ablegen und meinten nur, ich hätte selbst Schuld an allem, dass Beate „mir“ weggelaufen sei, einfach an allem Übel.
    Schimpfe und Hohn hallte aus zwei Mündern gleichzeitig – das war nicht leicht zu synchronisieren und aufzunehmen. Ohne es wirklich zu wissen, hatten sie ja recht, also war ich ihnen nicht wirklich böse. Befremdlich war diese Situation dennoch. Und sie fragten mich wirklich, ob ich Drogen nehmen würde! Warum haben sie mich nicht einfach mal in die Arme genommen und etwas Nettes gesagt. Oder liebkost man einen erwachsenen Sohn nicht mehr? Mit solchen Gedankengängen brachte ich mich über die Zeit. Aber letztlich zog mich die Erkenntnis, dass niemand an meiner Seite stand, nur noch tiefer in mein düsteres Sein.
    Niemand? Nein, das war nicht ganz richtig.
    Die kleineren schmerzvollen Blessuren waren nicht der Rede wert – hahaha. Aber ein Unterkieferbruch ist leider eine komplizierte und langwierige Geschichte. Frakturen verheilen unterschiedlich, wer weiß es besser als ich. Nur musste ich noch nie persönlich solche Verletzungen hinnehmen. All mein theoretisches Wissen wurde auf eine völlig neue Ebene gestellt. Meine Anamnese mit all meinen gefühlten Schmerzsymptomen und charakteristischen Beschwerden überwältigte mich.
    Es war kein heilender Zyklus zu erspüren, Schmerz ging und kam mit Brachialgewalt an anderer Stelle zurück. Besonders in den ersten Tagen nach dem Vorfall.
     
     
    D ie damit einhergehende Demütigung, der Verlust des eigenen Stolzes und der Würde, es fühlt sich am eigenen Leibe völlig anders an. Jemand am Krankenbett zu beobachten, ist etwas gänzlich anderes. Vielleicht können liebste Menschen, Feingeister - mitleiden, sämtliche Beeinträchtigungen erahnen, den Schmerz im übertragenen Sinne mitfühlen. Als Arzt war es mir in dieser Intensität versagt, ich hatte zuvor keinen Zugang zu solchen Empfindungen, das war nun anders. Es war für mich lehrreicher als alle Bücher, Vorlesungen und praktischen Erfahrungen es mir vermitteln konnten. Und dennoch hätte ich diese Erfahrungen nur allzu gern ausgelassen.
    Solche Umstände wollte ich meinem Körper und Geist nie wieder zumuten, das stand für mich unumstößlich fest! Dafür und nur dafür würde ich alles tun. Nicht mehr für alles Geld der Welt, nur für die Vermeidung von Schmerzen!

Kapitel 1 9
     
    Es war mein fünfter Tag im Krankenhaus, ich schlief zur Abwechslung mal tief und fest wie ein Baby. Meistens nur kurz und unruhig, mein

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