212 - Das Skelett (German Edition)
einstudiert. Wie viele Fernsehkrimis, welche mir solch ein erforderliches Wissen vermittelten, hatte ich in den letzten Jahren konsumiert? Meine Angst steuerte mich nur noch weiter in einen tiefschwarzen Abgrund …
Mein Handy hatte ich schon entsorgt, dann besorgte ich mir an diversen Geldautomaten noch reichlich Bargeld, damit ich keine EC- oder Kreditkarten mehr benutzen musste. Ich war also nicht zu orten und wollte keine Spuren mit Plastikkarten hinterlassen.
Meinen Ferrari ließ ich in der Hotelgarage stehen, nahm ein Taxi und ließ mich nach Scharbeutz bringen. Dort gab es ein kleines schnuckeliges Hotel, in dem ich mit Beate mal vier wunderschöne Tage verbracht hatte.
Warum ich gerade das gewählt hatte?
Wer sollte mich dort finden?
Es war schon nach Mitternacht, als ich dort eintraf und leider konnte ich mir an der kleinen, aber feinen Hotelbar keinen mehr genehmigen, sie hatte geschlossen. Schon während der Fahrt hatte ich den Taxifahrer zweimal anhalten lassen, um mir ein paar Flachmänner zu kaufen und zu genehmigen.
Wodka, my best friend .
Der Alkohol beruhigte mich zusehends, aber mein Frustsaufen war noch nicht gestillt. Also machte ich mich auf zu einer geöffneten Tankstelle im Ort und deckte mich großzügig mit Wodka ein. Die Sorte „Q“ hatten sie leider nicht im Angebot. Ich weiß nicht, wie ich am Strand gelandet bin, jedenfalls wachte ich morgens in einem Strandkorb auf und blickte in das grimmige Gesicht von Michail. Er hatte einen zweiten Korb genau gegenüber dem meinen hingestellt. Dort saß er seelenruhig. Wie lange hatte er mich wohl schon beobachtet? Wie hatte er mich nur so schnell gefunden? Meine Kleidung war seltsam zerknittert und schmuddelig, wie erbärmlich muss ich insgesamt ausgesehen haben? Ein Mann meiner Intelligenz und meines Standes.
Ic h denke, das war der unwürdigste, nein der peinlichste Moment meines ganzen Lebens.
Unwürdig waren andere Handlungen .
Eine Menge Belangloses schoss mir in Bruchteilen von Sekunden durch meinen Kopf. Ich war sofort hellwach und hatte keinen Brummschädel, vielleicht war ich ein wenig unterkühlt. Denn es war frisch, der Meereswind brachte eine kühle Brise. Ich roch das herrliche Meer mit allen eigenwilligen Gerüchen. Meine Rezeptoren erkannten Salz, Fisch, Algen, feuchten Sand und Muscheln. Wirklich? Oder stellte ich es mir nur vor? Möven gaben ein Konzert und kreisten über unseren Köpfen. Es war hell, aber war die Sonne überhaupt schon aufgegangen?
Adrenalin jagte durch meinen Körper und sorgte für einen kristallklaren Verstand. Dann kam sie wieder, meine unbeschreibliche Angst vor körperlicher Gewalt . Ich konnte es nicht kontrollieren, ich pinkelte mich ein. Nun lächelte Michael seltsam und sprach zu mir in passablem Deutsch:
» Henryk, Henryk - warum drehst du so am Rad ? « Wieso konnte er auf einmal Deutsch sprechen?
Und immer wieder wurde ich überrascht .
Ich wusste es immer , ich würde leiden, nicht nur psychisch – nein auch physisch.
Selbst in meinen Kindertagen hatte ich nie eine körperliche Auseinandersetzung austragen müssen. Ich hasste Gewalt, ich war schon immer ein Schisser und ging jeglicher Konfliktsituation aus dem Weg. Warum beschwor i ch sie durch mein dummes Geschwafel geradezu herauf?
Ich hörte noch , wie Michail zu mir sagte:
» Es tut mir leid, mein Freund, wirklich, aber es muss sein.
Du wirst später zu den Bullen sagen, du wurdest von drei Jugendlichen überfallen, ausgeraubt und zusammengeschlagen. Hast du mich verstanden ?«
Ich nickte nur .
Als er aufstand, kam er mir noch größer und bedrohlicher vor. Schon sein erster Schlag zerschmetterte meinen Kiefer. Ich sah noch einen Schwall Blut aus meinen Mund spritzen, und dann befand ich mich auch schon in Schlummerland.
Von d em Transport in eine Lübecker Klinik bekam ich nichts mit.
A uch nicht von der zweistündigen OP einiger Kollegen meines Berufsstandes.
Noch als ich mich im Aufwachraum befand und so langsam mein B ewusstsein wiedererlangte, erfühlte ich die Regionen, die betroffen sein mussten. Schmerzen verspürte ich noch keine, die verabreichten Infusionen verhinderten dies erst einmal noch erfolgreich. Mein eigener Befund war dann auch so ziemlich richtig.
Am meisten freute es mich, dass er mir nicht meine Zähne ausgeschlagen hatte.
Danke Michail!
Der Unterkieferknochen wurde gerichtet und verdrahtet, ich hatte eine gebrochene Rippe und Prellungen am Oberkörper. Jener musste von Blutergüssen und
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