2123 - Wahnzeit
machte. Aber diese kleinen Brüste hatten einen schier unerschöpflichen Vorrat an Muttermilch, und das stimmte Soner versöhnlich.
Als sie den kleinen Thronerben zum ersten Mal zur Brust nahm, tat sie dies unter strengster Bewachung und unter den wachsamen Blicken Sihames. Die auf Sigurne gerichteten Sensoren registrierten nicht nur sensibel jede ihrer Bewegungen, sondern ebenso ihren Körperhaushalt: ihre Körpertemperatur, ihre Transpiration und selbst die Elektrizität ihrer Haut. Aber alle Werte lagen im normalen Bereich.
Als Sigurne den kleinen Prinzen wieder an Sihame übergab, überreichte ihr Sihame zum Dank für ihre Hilfe eine Halskette mit einem wertvollen Anhänger aus dem Familienbesitz derer von Kmi.
„Ich danke dir von Herzen", sagte Sigurne gerührt. „Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Ich tue nur meine Pflicht."
Sihame fasste von Tag zu Tag mehr Zutrauen zu Sigurne, denn der kleine, noch immer namenlose Prinz gedieh mit jedem Mal, da ihn die Amme zur Brust nahm, prächtiger. Dazu kam, dass Sigurne vor Herzlichkeit geradezu überschäumte und den Säugling an ihrer Brust zärtelte, als wäre er ihr eigenes Kind.
Sihame schloss mit der Amme Freundschaft, was Soner überaus erleichterte. Doch der Prinzenkrieger ließ sich davon nicht blenden und dachte nicht daran, die Sicherheitsvorschriften zum Schütze seines Sohnes zu lockern. Sigurne wurde selbst in ihrer Freizeit, die sie in einem der Gästeflügel des Palastes verbrachte, unter strengster Beobachtung gehalten.
Das ging so bis zum siebten Tag. Den achten Tag aber stellte der Prinzenkrieger die Amme unter Hausarrest. Sigurne hatte selbst dafür Verständnis. Und am neunten Tag suchte sie das Kinderzimmer in alter Frische und herzlicher Fröhlichkeit auf.
„Na, mein kleiner Prinz, du musst furchtbar unter Entzug leiden", scherzte sie und gab dem Säugling eine ihrer Brüste. Der Kleine begann sofort wie wild zu saugen. „Na, na, na, du bekommst schon noch, was du brauchst."
Diese letzte Bemerkung ließ Sihame aufschrecken. So harmlos sie auch klang, sprach Sigurne sie mit seltsamem Unterton. Fast als eine Drohung erschien es Sihame. Sie wollte es schon ihrer Einbildung zuschreiben. Aber dann schrillte der Alarm auf, was nur bedeuten konnte, dass mit der Amme eine Veränderung vor sich gegangen war. Und dann stürzten auch schon die Wachen ins Zimmer.
Sihame erreichte die Amme vor ihnen und wollte ihr den Prinzen aus den Armen nehmen. Sigurne umklammerte ihn wie ein Schraubstock. Sihame sah mit vor Entsetzen geweiteten Augen, dass das Gesicht ihres Kindes blau angelaufen war, als würde es an der Brust der Amme zu ersticken zu drohen. Und die Glieder des Säuglings begannen zu zucken.
Jetzt waren die Wachen da, sie entrissen der Amme brutal den Säugling. Sigurne fiel röchelnd und nach Luft schnappend hintenüber, stürzte zu Boden und blieb dort mit zuckenden Armen und Beinen liegen.
Aus Sihames Kehle löste sich ein Schrei. Sie versuchte vergeblich, ihr Kind zu fassen zu kriegen.
Aber die Wachen stießen auch sie weg und eilten mit dem Prinzen in den Armen davon. Sihame schrie immer noch, als sie sah, dass sich die Amme nicht mehr rührte. Sigurnes Haut war bläulich verfärbt, die Augen waren weit aufgerissen und blicklos ins Leere gerichtet. Aber ihren Mund umspielte ein sardonisches Grinsen. Im Tode hatte sie nichts Freundliches mehr an sich.
Ja, Sigurne ist wohl tot, dachte Sihame und fragte sich entsetzt: Und was ist mit meinem Kind?
Sie schrie ihre Angst und ihren Schmerz laut hinaus, konnte sich auch nicht beruhigen, als Soner hereinkam und sie in die Arme schloss. Sihame musste mit Medikamenten beruhigt werden.
Soners Schmerz war mindestens so groß wie der seiner Gemahlin. Doch als Prinzenkrieger musste er sich dazu zwingen, Haltung zu bewahren. Äußerlich wirkte er völlig gefasst, aber niemand konnte wissen, wie es in seinem Inneren aussah.
Sein Sohn und Thronfolger war tot! Offenbar vergiftet durch den verlängerten Arm der Koshy-Shyna, der in der Gestalt der Amme Sigurne ausgeschickt worden war.
Dies wurde ihm durch das Untersuchungsergebnis bestätigt, das ihm der neu bestellte Minister für Innere Sicherheit, Gelenkok, mitteilte.
„Die Amme war offenbar eine Schläferin im Dienst der Koshy-Shyna. Sie wusste wohl selbst nicht, wann genau sie zum Einsatz kommen sollte. Aber ihr muss klar gewesen sein, dass dieser Zeitpunkt gleichbedeutend mit ihrem Tode sein musste. Sie trug die Giftkapsel die
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