2123 - Wahnzeit
Söhne, die ohnehin Faulpelze sind, mühelos ersetzen."
Bei sich aber dachte Kirio, dass sie mit ihm acht waren. Und die Acht war die unheilvollste Zahl in der Zahlenmagie der Pfauchonen. Er hoffte, dass seine Helfer nicht auf denselben Gedanken kamen und an Arbeitsverweigerung dachten.
Seine Helfer nahmen die Situation als gegeben hin und fügten sich murrend in ihre Arbeit.
Kirio hatte keinen Moment daran gedacht, seine Ehre für die Koshy-Shyna aufs Spiel zu setzen. Lieber wollte er seine Familie ins Ewige Jenseits schicken, als seine Seele der ewigen Verdammnis preiszugeben. Er hatte sich damit abgefunden, seine Familie nicht mehr lebend wiederzusehen. Und er spielte mit dem Gedanken, ihnen freiwillig ins Ewige Jenseits zu folgen - als ehrenhafter, aufrechter Pfauchone mit reiner Seele.
Er hatte einen Entschluss gef asst, war mit sich ins Reine gekommen.
Bis nach dem Mittagstisch wirkte Kirio wie ein völlig ausgeglichener, innerlich gefestigter Mann, der keinerlei Probleme hatte. Aber je näher die Zeit des Abendmahls rückte, desto mehr begann es in seinem Kopf zu arbeiten.
Hatte er das Recht, seinem Weib und seinen Söhnen das Leben zu nehmen? Und vor allem, durfte er seine geliebte Tochter aller Hoffnungen berauben?
Zu Kern ließ der Klostervorsteher Riddyn ihn zu sich rufen und eröffnete ihm: „Kirio, dies ist ein besonderer Tag. Wir erwarten eine hoch gestellte Persönlichkeit, die eine Prophezeiung wünscht. Darum bitte ich dich, deine Kochkünste anzustrengen, um uns besonderes Wohlergehen zu vermitteln."
Das verschärfte Kirios Dilemma nur weiter. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er den Beutel, den ihm der Koshy-Shyna ausgehändigt hatte, nicht weiter beachtet. Aber jetzt begann er sich immer intensiver zu fragen, was denn sein Inhalt war und was dieser an den Propheten anrichten konnte.
Was mochte es bewirken, wenn er den Inhalt in das Essen der Propheten mischte?
Kirio konnte sich eines besonders feinen Geruchssinns rühmen. Er konnte sämtliche Krauter und Kräutermischungen - und darüber hinaus zahllose andere Stoffe - allein nach ihrem Geruch bestimmen.
Seine Nase würde ihn erkennen lassen, was der Inhalt des Beutels war.
Er musste sich dessen einfach vergewissern, das war er seiner Familie - und speziell Linnate schuldig.
Also öffnete er den Beutel. Sein Inhalt war eine mehlige, luftige und trockene Substanz, die nicht stäubte. Er benetzte alle sechs Finger der Rechten mit der Zunge und tauchte sie in den Beutel. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, waren die Fingerkuppen bestäubt. Er rieb sie an dem Handrücken der Linken, bis sich der Staub aufgelöst hatte. Dann beugte er die Nase darüber und sog langsam die Luft ein.
Argum-Zybad!, war seine erste Diagnose. Dabei handelte es sich um ein Halluzinogen, das bei ausreichender Dosierung über den Zeitraum von mehreren Stunden schwere Störungen des seelischen Befindens hervorrufen konnte. Mehr nicht!
Ungläubig begann Kirio noch einmal zu schnüffeln. Sein feiner Geruchssinn stellte fest, dass dem Argum-Zybad eine weitere, ihm unbekannte Komponente beigemengt war. Aber so intensiv er auch schnüffelte, er konnte keine Spuren eines der ihm bekannten tödlichen Gifte wahrnehmen.
Der Beutel enthielt also fast reines Argum-Zybad mit einer winzigen Beimengung einer ihm nicht bekannten Substanz, bei der es sich anscheinend um kein tödliches Gift handelte!
Kirio konnte es nicht fassen. Er sollte im Auftrag der Koshy-Shyna den Propheten lediglich für ein paar Stunden zu tiefer Trance mit albtraumhaften Begleiterscheinungen verhelfen. Das war alles! Die Propheten würden keinen weiteren Schaden nehmen und tags darauf wieder Herren ihrer Sinne sein.
Sollte er deswegen, nur um die Propheten vor harmlosen Albträumen zu bewahren, seine Familie opfern? Das war ein zu hoher Preis. Niemand konnte von ihm erwarten, dass er ihn zahlte.
Er wollte vor allem nicht zum Mörder seiner Tochter Linnate werden, nicht zum Totengräber ihrer vielversprechenden Zukunft! Kurz entschlossen mixte Kirio den Inhalt des Beutels in die Speise der Propheten.
Kirio war überaus erleichtert, als dies geschehen war - aber auch voller Gewissensbisse. Denn er hatte unehrenhaft gehandelt. Aber er hoffte, dass einst im Ewigen Jenseits, wenn alle Taten gegeneinander aufgewogen wurden, das Zünglein immer noch zu seinen Gunsten ausschlagen würde.
Danach konnte es Kirio kaum erwarten, zu seiner Familie zurückzukehren und seine Tochter Linnate wohlbehalten in die
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