213 - Aruulas Grab
sie wusste nicht, wie sich die Situation im Harem entwickelt hatte. So lag sie wie auf glühenden Kohlen.
Erst nach einer weiteren halben Stunde verlor Saad vollends das Interesse an Aruula und ließ sie von den Haremsdienerinnen zurück in das Frauenhaus bringen.
***
In der Zwischenzeit hatten sich Grao und Daa’tan unauffällig in einen leeren Nebenraum verzogen.
»Wir müssen es alleine durchziehen«, drängte Daa’tan.
»Meine Mutter wird diesen Kerl umbringen, wenn er sich an sie ranmacht, und dann ist alles zu spät.«
»Ich wäre mir da nicht so sicher«, murmelte Grao in seiner vollbusigen Tarngestalt. »Sie weiß, was auf dem Spiel steht. Es ist besser, wir warten auf sie. Zu dritt sind unsere Erfolgsaussichten größer.«
Bereits einige Minuten später tauchte plötzlich Hassan auf.
Der Oinuck hatte Aruulas Begleiterinnen gesucht. »Ah, da seid ihr ja«, tönte er mit seiner schrillen, hohen Stimme.
»Entschleiert euch. Ich möchte sehen, ob ich wenigstens euch kenne. Und dann erzählt mir, wo ich euch für den Padischah erstanden habe.«
Grao und Daa’tan zögerten. »Na los, macht schon.« Hassan trat an Daa’tan heran und hob dessen Schleier. Ein Jungengesicht starrte ihn an, zu herb für eine Kadina des Padischahs. Der Oinuck prallte zurück.
Grao handelte sofort. Er trat hinter Hassan und legte ihm die schuppigen Klauen um den Hals, zu denen seine zarten Frauenhände plötzlich mutierten. Eisenhart drückte er zu. Der Oinuck keuchte und würgte. Seine Augen traten aus den Höhlen, während er verzweifelt versuchte, Graos Hände abzuschütteln. Er brachte nicht einmal mehr einen Ton hervor.
Schließlich sank er im Griff des Daa’muren zusammen.
»Mach die Truhe dort auf, schnell«, sagte Grao. Daa’tan gehorchte und öffnete eine Holztruhe mit Silberbeschlägen.
Der tote Oinuck fand, leicht zusammengekrümmt, gerade Platz darin.
Grao musterte ihn noch ein letztes Mal, dann begann sich sein Daa’murenkörper abermals zu verwandeln. So gut es ging, bildete er den Oinucken nach. Dank dessen Leibesfülle und der lockeren Kleidung hatte er kein Problem mit der richtigen Größe. Noch ein paar Änderungen an seinen Stimmbändern, dann klappte es auch mit der hohen Stimme leidlich gut.
»Wenn man dir nicht zu nahe kommt, könnte man dich glatt für den Kerl halten«, stellte Daa’tan fest.
Schwieriger war es schon, Hassans Gehabe zu imitieren; immerhin hatte ihn Grao nur zwei Mal kurz zu Gesicht bekommen.
»Geh einmal durch den Harem und mach die Probe«, verlangte Daa’tan, doch der Daa’mure lehnte ab. Er wollte sich nicht unnötigerweise der Gefahr der Enttarnung aussetzen.
Sie setzten sich auf die Truhe und warteten.
Erst zwei Stunden später kehrte Aruula zurück. Daa’tan, der gelegentlich nachschauen ging, sah sie von anderen Frauen umringt, die anscheinend wissen wollten, wie es gewesen war.
Aruula plapperte wieder irgendetwas in der Sprache der Wandernden Völker und verdrehte dabei die Augen. Obwohl keine der anderen Frauen sie verstand, kicherten sie und redeten durcheinander. Sie glaubten zu wissen, was Aruula ihnen erzählte.
»Hassan« betrat den Raum. Er klatschte wortlos in die Hände. Murrend löste sich die Traube aus Kadinas wieder auf.
Selbst Aruula fiel im ersten Moment auf Grao’sil’aana herein. Erst Daa’tans Fingerzeig machte ihr klar, wer da vor ihr stand. Beeindruckend, dachte sie. Die Hoffnung wuchs, das Abenteuer tatsächlich erfolgreich zu beenden.
Aruula und Daa’tan folgten dem Daa’muren zur bewachten Tür. Die Soldaten traten respektvoll zur Seite, als »Hassan« sich ihnen näherte. Sie grüßten lediglich mit einem leisen
»Salamkum« und ließen ihn durch die Tür. Auch dass zwei Kadinas ihm folgten, ließ sie nicht eingreifen. Offenbar war der Oinuck nur dem Padischah Rechenschaft schuldig. Im Reich der Geschichtenerzählerinnen war der Luxus noch wesentlich größer als im normalen Harem. Junge Adeptinnen verbeugten sich bis zum Boden, als sie »Hassan« erblickten. Und sie musterten die beiden Verschleierten neugierig. Sie waren doch zu zehnt, es durften also keine neuen Kandidatinnen dazu kommen. Zu fragen wagte jedoch keine.
Die beiden Geschichtenerzählerinnen saßen auf der Terrasse, genossen kühle Getränke und ließen sich bedienen.
»Wir nehmen die schlanke Hübsche«, flüsterte Daa’tan.
»Nichts da«, gab Aruula energisch zurück. »Die Dicke ist älter und erfahrener. Untersteh dich, die andere anzureden,
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