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2132 - Der Saltansprecher

Titel: 2132 - Der Saltansprecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Mantel. Ihre Stimmen flüsterten ihm zu, erzählten Geschichten, die kein Pfauchone je zuvor gehört hatte. Sie trugen ihn hinweg in eine ferne Zeit, als die Hochebenen von Wasser umgeben waren und Pflanzen hoch in den Himmel wuchsen. Dort jagten sie, lauerten im hohen Gras oder im Schilf am Rande der Seen. Nie waren sie allein, stets verbunden durch ihre Stimmen und den Geruch, der keine Verwechslungen kannte.
    Tieger spürte ihre Leidenschaft, ihren Hunger und ihre Wut. In den Geschichten hing er mit ihnen an der Kehle seines Opfers, trank heißes Blut und zischte seinen Triumph in die Welt. Sogar Molpo begegnete er wieder. Die Saltans nannten ihn Einauge und erzählten mit großer Freude von dem Tag, als er Beute geworden war. Der Kampf war Teil ihrer Legenden. Vielleicht würde es Molpo sogar freuen, wenn er das wüsste, dachte Tieger, als er nach langer Zeit die Augen aufschlug. Der Hunger hatte ihn aus den Geschichten zurück in die Realität gerissen.
    Seit Monaten verbrachte er seine Tage in den Höhlen der Saltans, lauschte ihrer Sprache, die er verstand, ohne sie wirklich zu begreifen. Manchmal vergaß er zu essen, oder er schlief einfach zwischen den Tieren ein. Sie schützten ihn vor der Kälte der Felsen und sahen zu ihm auf wie zu ei nem guten Freund. „Ich muss gehen", sagte er der blinden Menge. „Hunger." Das verstanden die Saltans. Eine Abordnung begleitete ihn bis zum Tor.
    Tieger schloss es sorgfältig hinter sich ab, bevor er den Weg zur Küche einschlug. Beinahe hätte er Molpo von den Geschichten der Saltans erzählt, aber eine innere Stimme hatte ihn davon abgehalten. Niemand sonst schien die Tiere zu verstehen, sonst hätten die Mönche keine Angst vor ihnen gehabt. Also war er der Einzige, so, wie auch seine Visionen einzigartig waren. Doch die Visionen hatte Olibec ihm weggenommen.
    Tieger wusste nicht, weshalb zuerst Sebor und nun sein neuer Lehrer Olibec ihn so schlecht behandelten. Er hatte stets getan, was sie von ihm wollten, und bei den Visionen sein Bestes gegeben. Aber das hatte nicht gereicht, sonst hätten sie ihm mehr gabraunizisz gegeben. Der Gedanke an die Knospe auf seiner Zunge ließ ihn lächeln. Er fühlte sich leicht, wenn er sie einnahm, leichter noch als in den Geschichten der Saltans.
    Vielleicht wollte Olibec nicht, dass er sich leicht fühlte. Vielleicht wollte er einen schweren, traurigen Tieger und hatte ihm deshalb gabraunizisz verboten. Würde er ihm dann nicht auch die Saltans nehmen, wenn er erfuhr, welche Freude sie ihm bereiteten? Tieger wünschte sich, seine Mutter würde ihn endlich besuchen. Sie hätte eine Antwort auf seine Frage gewusst, aber solange er allein war, war es besser zu schweigen - für ihn und die Saltans. „Willst du nicht den Herrn des Lichts sehen?" Tieger zuckte zusammen. Er war so tief in seine Gedanken versunken gewesen, dass er die Küche erreicht hatte, ohne es zu bemerken. Vor ihm stand eine junge Pfauchonin, zierlich und klein wie alle ihrer Art. Er erkannte sie sofort als die Bäuerin, die ihm morgens auf seinem Weg in die Gehege begegnete. Normalerweise wurde sie von einem alten Mann begleitet. Jetzt war sie jedoch allein. „Ich soll nicht mit dir reden", sagte Tieger. „Es gibt viel, was wir nicht sollen. Hältst du dich an alles?" Sie sah ihm in die Augen. Die Haut ihres schmalen Gesichts war gerötet von der Arbeit über den heißen Töpfen. Tieger starrte auf ihre vier Brüste, die sich deutlich unter dem Hemd abzeichneten. Ihm war vorher noch nie aufgefallen, dass ihm so was gefiel. „Nee", sagte er. „Nicht an alles. Ich darf nicht in der Küche essen, weißt du, aber ich tu trotzdem hier essen."
    „Dann kannst du mit mir reden, während du isst. Soll ich dir einen Teller geben?"
    „J a." Er setzte sich an einen Holztisch und sah zu, während sie mit einer Kelle in einem der Töpfe rührte. Sie suchte viele Fleischstücke heraus, bevor sie den randvollen Teller vor ihm abstellte. „So 'n großer, starker Mann wie du braucht viel Fleisch", sagte sie und setzte sich ihm gegenüber.
    Tieger schlang die ersten Bissen hinunter, bevor er an die Höflichkeitsregeln dachte, die er gelernt hatte. „Danke", sagte er mit vollem Mund. Sie hielt seinen Blick einen Moment lang und strich sich dann mit den Händen die Haare aus dem Gesicht. „Du bist nicht wie die anderen Propheten", sagte sie. „Du bist nett."
    „Hm ..." Tieger wünschte, sie würde endlich aufhören zu reden. Er konnte sich kaum auf sein Essen

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