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2132 - Der Saltansprecher

Titel: 2132 - Der Saltansprecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Antwort. Pernaq seufzte. „Dann solltest du ihn jetzt zum Turm bringen, denn die Wachen werden bald antreten."
    „Ich danke dir." Molpo entfernte sich rückwärts gehend, ohne aufzusehen. Mit seiner Antwort hatte Pernaq Olibec hintergangen und seine Ehre gefährdet. Ihm jetzt in die Augen zu blicken wäre unhöflich gewesen. Erst als Molpo die schwere Holztür im Rücken spürte, drehte er sich um und verließ den Turm. Vorsichtig hinkte er die Treppe hinab und bog in die dunklen, nur von Gaslampen erhellten Korridore ein. Diener verschwanden in Seitengängen oder knieten nieder, wenn sie nicht schnell genug ausweichen konnten. In der Unterstadt lernten sie sich in Gegenwart der Propheten wie Unsichtbare zu benehmen und keine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Molpo ignorierte sie und hielt auf seinem Weg zu den Gehegen nur einmal an, um die schwere Schutzkleidung überzuziehen, die er immer noch in seiner Kammer aufbewahrte. Das Leder war an vielen Stellen aufgerissen. Die Abdrücke scharfer Zähne bedeckten die Kleidung wie Narben. Wir haben viel zusammen erlebt, dachte Molpo, als er das Tor zum Gehege aufschloss und eintrat. Nur wenig Gutes war dabei. Das grüne Licht der phosphoreszierenden Moose reichte aus, um den Gang zu erleuchten. Wasser lief in dünnen Bahnen über die Steine. Der Geruch nach Fäulnis brachte die Erinnerung an Saugrüssel und unvorstellbare Schmerzen zurück. Molpo schüttelte den Gedanken ab und drang tiefer in das Höhlensystem vor.
    Er hörte das Flüstern der Saltans, lange bevor er ihre wimmelnden Körper sah. Die tiefen Mulden und Gruben waren angefüllt mit Tieren, die ihm keine Beachtung schenkten. Es kam ihm vor, als würden sie von ihren eigenen Lauten hypnotisiert. „Tieger?", fragte Molpo. „Bist du hier?" Einige Saltans begannen zu zischen, hörbar wütend über die fremde Stimme. Molpo wich zurück. Sein Mund wurde trocken. „Tieger?"
    Das Zischen schwoll an. Die Saltan Nester, die ihm am nächsten waren, lösten sich auf, als die Tiere auf ihn zukrochen. „Ich bin hier." Tiegers schwerfällige Aussprache war nicht zu verwechseln. Molpo drehte den .Kopf und sah ihn am Rand einer Grube sitzen. Seine nackten Füße baumelten nur Zentimeter über den Saltans. Er trug keine Schutzkleidung, nur ein einfaches Hemd und eine zu kurze Hose. Das Flüstern und Zischen der Saltans verstummte. „Es ist ganz schön gefährlich, so nah bei den Saltans zu sein", sagte Molpo. „Willst du nicht lieber zu mir kommen?"
    „Nein." Tieger gähnte laut. „Ich bin müde. Lass mich schlafen."
    „Hier?" Molpo sah ihn verständnislos an. „Sie werden dich zerreißen, wenn du ihnen eine solche Gelegenheit gibst. Außerdem habe ich eine Überraschung für dich." Zum ersten Mal bemerkte er so etwas wie Interesse in Tiegers Blick. „Welche Überraschung?"
    „Der Herr des Lichts ist von dem fernen Kazién zu uns gereist, um sich eine Prophezeiung stellen zu lassen. Wenn du mir versprichst, niemandem davon zu erzählen, darfst du ihn sehen."
    Er war erleichtert, als Tieger endlich die Beine aus der Grube hob und die Arme darum schlang. Seine rechte Hand schien ununterbrochen etwas zu zählen. „Du weißt doch, wer der Herr des Lichts ist?", hakte er nach, als eine Antwort ausblieb. „Ja."
    „Willst du ihn denn nicht sehen?" Tieger wackelte mit dem Kopf und gähnte erneut. „Würd' ja gern, bin aber zu müde. Muss schlafen."
    „Na, wenn das so ist ..." Molpo entging nicht, dass das Gähnen vorgetäuscht war, aber er ließ sich auf das Spiel ein. ,„Dann musst du wohl in deine Kammer schlafen gehen."
    „Ja." Tieger machte keine Anstalten aufzustehen. Seine Augen musterten Molpo über seine Knie hinweg, als warte er nur darauf, endlich wieder allein zu sein. „Ich komme später wieder und erzähle dir alles über den Besuch." Die einzige Antwort, die Molpo darauf bekam, war ein weiteres Gähnen. Er wandte sich ab, verstört und neugierig zugleich. Es war klar, dass Tieger eine äußerst ungewöhnliche Vertrautheit mit den Saltans erlangt hatte. Daran dachte er jedoch nur am Rande. Was ihn wirklich irritierte, war, dass jemand eine persönliche Ansicht des Prinzenkriegers - die vielleicht höchste Ehre, die jemand wie Tieger je erlangen konnte - einfach so ausgeschlagen hatte. Was konnte hier unten in den Gruben wichtiger sein als das?
    Tieger wartete, bis Molpo in den Gängen verschwunden war, dann ließ er sich zurück in die Grube sinken. Die Saltans umschlossen ihn wie ein warmer, weicher

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