215 - Die Macht des Sehers
wenn sich sein Ende über Wasser befindet; so ist eine relativ weiche Landung gewährleistet.«
»Dann müssen wir sämtliche Rozieren starten und über den Meeren nach ihm suchen!« De Fouchés Miene hellte sich auf.
»Da gibt es ein zweites Problem. Mit bloßem Auge ist der Strahl so gut wie unsichtbar. Und es existieren in dieser Epoche leider keine technischen Geräte mehr, die geeignet wären…« Er stockte mitten im Satz. Ein Gesicht tauchte aus den Tiefen seiner Erinnerung auf.
Richtig, es gab hier keine Strahlungsmesser oder Spektroskope, die den Strahl aufspüren konnten – aber er war vor Monaten einem Mann begegnet, der diese besondere Fähigkeit besaß!
Matt riss sich vom Anblick des Scheinwerferkegels los und sah de Fouché in die Augen. Die zuckten unruhig. »Sie haben Recht – wir brauchen eine Roziere. Aber nicht um den Strahl aufzuspüren, sondern einen Mann! Als ich ihn zuletzt –«
Plötzlich ertönte ein Schrei, die Männer fuhren herum.
»Was war das?«, fragte Matt.
»Bestimmt einer der Wächter.« De Fouché winkte ab und setzte eine ärgerliche Miene auf. »Nichts Besonderes. Manchmal wird den Männern langweilig auf den nächtlichen Routinepatrouillen, da fangen sie an sich zu prügeln, und hin und wieder gibt es Verletzte.« Er ging zur Treppe. »Ich werde nach dem Rechten sehen.«
»Warten Sie.« Matt fasste den Kriegsminister bei der Schulter und hielt ihn fest. »Hören Sie zu, de Fouché!« Der Militär drehte sich noch einmal um. »Tun Sie sich bitte mit Tala zusammen, reden Sie mit dem Kaiser, und ich arbeite eine Möglichkeit aus, wie wir ihm helfen können!«
»Ich werde mein Möglichstes tun, Monsieur Drax!«
***
De Fouché lief zur Nordostseite der Wolkenstadt. Kurz bevor er die Einfriedungsmauer dort erreichte, sah er zurück.
Matthew Drax folgte ihm nicht. Dafür lösten sich zwei Männer aus dem Schatten des Aufzugsschachtes und kamen auf ihn zu.
»Musste es sein, dass er schreit?«, fauchte der Kriegsminister sie an.
»Es tut uns Leid«, flüsterte einer der beiden Männer. »Aber sonst ging alles reibungslos.«
»Na bestens.« De Fouché winkte die Männer an sich vorbei.
»Dann zurück in die Kaserne mit euch. Und seht zu, dass euch niemand beobachtet.« Die Männer huschten davon und verschwanden in der Dunkelheit zwischen den Häusern.
Pierre de Fouché schlenderte zurück zum Palastgarten. Was für eine glückliche Nacht! Fortuna selbst musste ihm diesen Wahnsinnigen über den Weg geschickt haben. »Aus der Vergangenheit…«, murmelte der Kriegsminister grinsend.
»Zeitstrahl…« Er schüttelte den Kopf und fasste sich an die Stirn.
Dieser irre Weiße hätte zu keinem günstigeren Zeitpunkt auftauchen können! De Fouché beschleunigte seinen Schritt.
Wie ein sorgfältig konstruiertes Gebäude stand ihm sein Plan jetzt vor Augen. Alles hatte er bedacht, alles fügte sich nahtlos ineinander. Und nun kam ihm auch noch der Zufall zur Hilfe.
Etwas wie Triumph erfüllte ihn.
Selbstverständlich würde er versuchen, den Kaiser davon überzeugen, dass er in Todesgefahr schwebte! Und de Fouché rechnete sich gute Chancen aus, dass er Erfolg haben würde, denn de Rozier hielt große Stücke auf den Verrückten, der angeblich aus der Vergangenheit kam.
Letztlich würde er den Kaiser zu dieser absolut unsinnigen Exkursion ermutigen. Und was konnte auf einer solchen Reise ins Ungewisse nicht alles passieren…?
***
Madagaskar, Mitte März 2524
»Verdammter Egoist!« Keetje weinte und tobte. »Denkst du denn nur an dich?« Yann hielt sich die Ohren zu. »Einfach abhauen!« Keetje stieg auf den Hocker und holte die Schlinge vom Deckenbalken. »Mich einfach allein zurücklassen!« Sie sprang vom Hocker und schlug mit dem Seil nach Yann Haggard. »Bist du eigentlich bescheuert? Was soll denn aus mir werden ohne dich?«
Sie schlug und zeterte und heulte. Yann Haggard flüchtete in eine Ecke der Kajüte, kauerte sich an die Wände und hob abwehrend beide Hände. »Nicht doch, nicht schreien…! Du tust mir weh, du zersprengst mir den Schädel…!«
Keetje ging vor ihm in die Knie, ließ das Seil fallen und schlang die Arme um Yanns Hals. »Versuche das nie wieder!«
Heulend drückte sie sich an seine Brust. »Ich brauch dich doch…« Sie klammerte sich an ihn und schluchzte.
Yann Haggard, überwältigt von so viel Anhänglichkeit, schwor am Ende sogar freiwillig, dass er sich nicht töten würde.
Eine Stunde fast heulte das Mädchen an seiner Brust, dann
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