2151 - Zentrum der Inquisition
„Sie sind vorbei!" Zim Novembers Stimme explodierte schier in der atemlosen Stille. „Geringste Distanz dreieinhalb Millionen Kilometer."
„Alles bleibt in Bereitschaft!", bestimmte die Kommandantin. „Wir warten noch zehn Minuten, bevor wir die ersten Verbraucher hochfahren." Die Spanne wurde zur Qual. Doch im Nachhinein erwies sich die Entscheidung als richtig. Ein weiterer Pulk von acht Katamaren passierte den Spürkreuzer innerhalb der Feuerreichweite. Endlich die nächste Überlichtetappe. Bei zehnmillionenfacher Lichtgeschwindigkeit schien eine Stabilisierung einzutreten. Jedenfalls war kein weiteres Absinken mehr zu verzeichnen.
Zim November hielt die JOURNEE in respektvoller Distanz. Zwei jeweils halbstündige Aufenthalte im Einsteinraum nutzte er für kurze Schlafperioden unter der SERT-Haube. Ob sie wirklich erholsam waren, blieb dahingestellt. Die am Hals hervortretenden Sehnenstränge begannen jedenfalls zu verraten, dass Zim sich nur mühsam wach hielt. Die Überraschung kam am späten Vormittag des 2. April. Endlich ließen die Hochrechnungen nach einer neuerlichen Kursänderung des Festungssatelliten ein Ziel erkennen. Der Kurs des Konvois zielte auf die Sonne Siv, 36.689 Lichtjahre vom Sternenfenster entfernt. Der innerste von vier Planeten war Sivkadam, die galaxisweit gefürchtete Folterwelt des Regimes. Mit diesem Ziel hatte niemand an Bord der JOURNEE gerechnet. „Was um alles in der Welt will der angeschlagene Satellit in der Nähe von Sivkadam?", fragte die Kommandantin, ohne jedoch eine Antwort darauf zu erwarten.
Das Warten gefiel ihm nicht. Es barg eine Unsicherheit, die er nie bei seinen Einsätzen kennen gelernt hatte. Das Leben eines Inquisitors stand auf dem Spiel! Garonn wusste nicht, was geschehen war, er hatte auch nicht das Recht, Fragen zu stellen. Aber er spürte die Unruhe im Reich Tradom, die wie ein Echo von den bedeutenden Welten zurückschwang.
Offizielle Verlautbarungen gab es nicht. Nur unter der Hand wurde gemunkelt. Von einer fremden Galaxis namens Milchstraße, die zu einem neuen Thoregon gehörte. Und von zwei kugelförmigen Raumschiffen, denen der Sprung durch das Sternenfenster im Sektor Roanna gelungen sein sollte.
Zwei fremde Raumschiffe in Tradom. Lächerlich! Garonn stieß die vorspringende Mundpartie ein Stück weiter nach vorne und entblößte die groben Zähne. Sein unwilliges Grunzen erschreckte einige seiner Untergebenen. Er hatte sie in den Raumgleitern antreten lassen, obwohl der Startbefehl fehlte.
Garonn hasste es zu warten. Die Wehr war effektiver, je weniger die E'Valenter Gelegenheit erhielten, über ihre Aufgabe nachzudenken. Nur er war dazu da, alles in die richtigen Bahnen zu lenken. Er fragte sich, ob die bei den fremden Kugelraumschiffe mit dem Einsatz zu tun hatten. Hatten sie wirklich das Leben eines Inquisitors in Bedrängnis gebracht? Garonn konnte es nicht glauben.
4.
Coa Sebastian fixierte die Zeitanzeige. Noch zwanzig Sekunden bis zum Datumswechsel. Sie musterte den Emotionauten, der eben ein undefinierbares Ächzen von sich gegeben hatte. Zim November saß aufrecht, aber seine Haltung wirkte steif und sein Gesicht ebenso verkrampft.
Schweiß perlte über die Wangen. Sie hatte den Eindruck, dass Zim am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt war. Wieder dieser rasselnde, schwere Atemzug, der sich anhörte, als rufe Zim einen Namen: „Raye ..." Aber Raye Corona, die tefrodische Ärztin, die aus Andromeda in die Milchstraße gekommen war, war an Bord der LEIF ERIKSSON geblieben, um den Verwundeten der Schlacht zu helfen. Ein Zittern durchlief den sehnigen Körper des Emotionauten.
Inzwischen war der 3. April angebrochen. Seit knapp zwei Tagen folgte die JOURNEE nun schon dem angeschlagenen Festungssatelliten und seinen Begleitschiffen. Die Belastung für Zim November war extrem. Coa Sebastian entsann sich, mit welchem Elan der Junge sich in das Andromeda-Abenteuer gestürzt hatte. Nichts davon war zu spüren. Er hielt sich nur mehr mühsam aufrecht, um seine Aufgabe so gut zu erfüllen, wie es von ihm erwartet wurde. Sie hätte nie zulassen dürfen, dass Zim sich so verausgabte. Einige kurze Schlafphasen unter der abgeschalteten SERT-Haube, mehr Zeit hatte dem Emotionauten während der letzten achtunddreißig Stunden nicht zur Verfügung gestanden.
Der unstete Wechsel zwischen Überlichtflug und neuer Beschleunigung, die Bedrohung durch die Strahlungsausbrüche an Bord des Satelliten ebenso' wie die anhaltende
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