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2154 - Größer als das Leben

Titel: 2154 - Größer als das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Veranlagungen prägten sich aus, Schicksale wurden entschieden. Und wie der Zufall es wollte, stellten sie beide Ausnahmen dar. Vielleicht beschritten ihre Körper durch die vorgezogene Entwicklung andere Wege, jedenfalls fiel der Wachstumsschub gering bis kaum merklich aus. Ein gutes Zeichen.
    Kresto experimentierte.
    Seit einigen Tagen legte er sich jeden Abend auf sein Bett und richtete für eine Viertelstunde seine volle Konzentration auf den Geist des Bruders. Er hatte schon immer ein enges Band zu Sogtan unterhalten, zweifellos ein Ausdruck des Umstandes, dass sie im selben Fruchtwasser gebadet hatten. Und das gedachte er zu nutzen. Er setzte darauf, dass der Hormonschub in ihm suggestive Fähigkeiten freisetzte. Schließlich war das bei jedem Cy'Valenter der Fall, und er bezweifelte nicht, dass die Natur ihn zu einem solchen bestimmt hatte. Die Beine ausgestreckt, die Hände im Schoß übereinander gelegt, ruhte er mit geschlossenen Augen auf seinem Bett. Er stellte sich vor, dass er den Weg zur Kabine seines Bruders zurücklegte und eingelassen wurde, worauf er seine Handflächen auf Sogtans Stirn legte.
    Krestos eigene Stirn begann zu kribbeln, und als das Kribbeln sich über seinen Hinterkopf und den ganzen Oberkörper ausbreitete, wusste er, dass er wieder mit seinem Bruder in Verbindung stand. Weiß er es?, fragte er sich. Spürt er es auch? Er drang in den Kopf seines Bruders ein und folgte den Hirnwindungen durch die graue Masse. Winzig klein wurde er und tastete mit den Händen die Ränder der mnemonischen Bahnungen ab. Er folgte den tiefsten Rinnen, bis er eine mächtige Höhle erreichte, in der durch ein kreisrundes Loch in der Decke ein gleißend heller Wasserfall stürzte, der einen silbern schimmernden See füllte. Kresto nahm im Schneidersitz am Ufer Platz und streckte seine Arme in das Nass, ließ sie wachsen und durchzog die sprudelnde Flüssigkeit mit den feinen Verästelungen seiner Finger.
    Spürst du mich?, dachte er. Es geht dir sehr schlecht. Dein Körper reagiert auf dein Unwohlsein mit Schwäche. Du fühlst dich immer schwächer und kränker.
    Die Höhle schien düster aufzuglimmen, und eine menschliche Gestalt erschien über dem See. Sie starrte Kresto eindringlich an. Ich wusste, dass du wieder nach einem Weg suchen würdest, mir zu schaden. Aber ich bin darauf vorbereitet. Kresto war verwirrt. Damit hatte er nicht gerechnet. Er betrachtete die Gestalt eingehender und erkannte, dass sie genau wie er aussah - oder wie Sogtan. Du hast mich erwartet?
    Heute schon. Ich kann nicht dulden, dass du weiter in meinem Geist dein Unwesen treibst. Bevor Kresto antworten konnte, zuckte ein greller Blitz durch das Loch in der Höhlendecke und schlug in das Wasser ein. Ein Stromstoß brandete durch die Verästelungen seiner Finger und schien in seiner Brust zu detonieren. Der Aufprall schleuderte Kresto zwanzig Meter weit zurück, wo er reglos in einer Mulde liegen blieb. Alles um ihn herum wurde durchscheinend. In seinen Ohren sang es, dann wurde es zu einem Fiepen. Er wälzte sich zur Seite und riss die Augen auf. Sein Wandkommunikator!
    Kresto wollte etwas sagen, doch es drang nur ein Krächzen heraus. Überrascht stemmte er sich auf die Ellbogen und schüttelte den Kopf. Er versuchte es noch einmal: „Kresto Kapellme." Es klang schroffer als beabsichtigt. Wenigstens war der Kommunikator nicht mit einer Kamera gekoppelt. Man hätte ihm seine Verstörtheit sicher angesehen. „Hier ist Fantanor Colla. Der Chef hat eine Sondersitzung einberufen. Du sollst um zwanzigvierfünf 1m Besprechungsraum Ambra sein." Kresto war gedanklich noch in Sogtans Geist. „Worum geht's denn ...?" Mit etwas Glück machte er nur einen schlaftrunkenen Eindruck. „Wir werden die Besatzung durch die Veränderungen begleiten. Es soll Unterweisungen geben, etwa über anstehende Kontrolluntersuchungen."
    Kresto grollte zustimmend. „In Ordnung, Fantanor. Ich bin rechtzeitig zur Stelle. Bis nachher." Sein Kopf sackte wieder nach hinten. Jede Faser seines Körpers schmerzte. Und er hatte das Gefühl, als sei etwas in seinem Kopf durchgeschmort. Unsinn!, dachte er nur.
    Noch immer ein wenig angeschlagen, traf Kresto kurze Zeit später im Besprechungsraum ein. Er hatte damit gerechnet, für eine solche Aufgabe herangezogen zu werden. Jemand musste die Rekruten an Bord anleiten und ihnen die Angst nehmen - ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn sie Veränderungen an Geist und Körper erlebten, denen sie sich hilflos

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