2154 - Größer als das Leben
des Archivars in der braunen Robe mit der übergestreiften Kapuze und dem im Dunkeln liegenden Gesicht flirrte, dann löste es sich auf. „Meinst du nicht, dass du den Würfel jetzt oft genug abgespielt hast?", fragte Torrjan Pal. Er legte dem jungen Mann, der vor ihm an einer Archivkonsole saß, die Hand auf die Schulter, so dass sein Kettenhemd aus gelblichem Stahl knisterte. „Und wenn du ihn noch tausendmal aufrufst, wird er dir trotzdem nichts anderes erzählen."
„Die Antwort ist irgendwo da draußen."
Torrjan knurrte verärgert. „Du bist ein schwerer Fall, Sogtan. Seit du an Bord gekommen bist, wälzt du die geschichtlichen Dokumente über Myrrein, als gälte es, eine große Entdeckung zu machen. Aber die Zeit der Entdeckungen ist vorbei. Myrrein ist eine Provinz Tradoms!"
„Mein Gefühl sagt mir, dass etwas nicht stimmt." Torrjan schüttelte ruckartig den Kopf. „Dein Gefühl in allen Ehren, aber Hunderttausende von Reichstreuen haben diese Galaxis befriedet. Ist dein Gefühl nicht etwas anmaßend?"
Sogtan wandte ihm das Gesicht zu, und Torrjan Pal konnte trotz der dunklen Brille den stechenden Blick aus zornigen Augen geradezu spüren. „Ich habe mich an der Akademie von Jontagu auf Vergleichende Psychologie spezialisiert, Torrjan. Das war mein Prüfungsfach, und es ist kein Zufall, dass ich dem Strategischen Planungskommando als Assistent zugeteilt wurde. Sie wollten frisches Blut, jemanden mit klarem Blick und neuen Ideen, der die Stellen im myrrischen Räderwerk, an denen es hapert, wieder in Schuss bringt. Und sie wissen genau, dass ich das auch tun werde!" Und wenn es mir gelingt, macht mich das zum Senkrechtstarter auf der Karriereleiter. Aber das sagte er nicht laut. Auch sein engster Freund brauchte nicht zu wissen, was für hohe Ziele er sich gesetzt hatte.
Einerseits war Sogtan froh, dass er auf der TRAFIE, dem mobilen Hauptquartier des Strategischen Planungskommandos, Torrjan wieder begegnet war. Er mochte den jungen Celoner, mit dem er vor über zehn Jahren seinen ersten Aufenthalt in einem Hospital verbracht hatte - und der ebenfalls zum Cy'Valenter geworden war. Doch er mochte es nicht, wenn seine Überzeugungen in Zweifel gezogen wurden.
Kresto war darin ein Meister gewesen, und erst seit dem Erwachen seiner suggestiven Kräfte blieb Sogtan seinen eigenen Überzeugungen treu.
Deshalb war es ihm durchaus recht gewesen, dass er von Kresto lange nichts mehr gehört hatte. Auch das war nun vorbei. Ausgerechnet auf der TRAFIE waren sie sich erneut über den Weg gelaufen. Was für Sogtan noch lange kein Grund gewesen war, den Kontakt zu seinem Zwilling wieder aufzunehmen. Krestos Leistungen berechtigten zwar zu der Hoffnung, dass er einmal Kommandant eines Schlachtschiffes werden könnte, doch seine genetische Disposition hatte ihn auf der Entwicklungsstufe eines Di'Valenters verharren lassen, und der allzu private Umgang mit einem „-Niederen" wäre Sogtans Laufbahn sicher nicht förderlich. Da war ihm Torrjan Pal lieber. Er hatte für ihn ohnehin schon den Rang eines Ersatzbruders. „Träumst du gerade vom Harem auf Tarfa?", fragte Torrjan seinen Freund. „Oder spekulierst du, welche Cliquen in Myrrein ihr eigenes Süppchen kochen?" Sogtan schrak aus seinen „Überlegungen auf. „Natürlich!", sagte er und deutete dorthin, wo der Info-Kubus verglommen war. „Wenn ich wissen will, was mit Myrrein nicht stimmt, muss ich mir die Cliquen vornehmen, die eigene Interessen verfolgen. Den Untergrund der Galaxis. Nicht diese offiziellen Dokumente!" Seine flachen Nüstern pulsierten begeistert, als er sich zu Torrjan umdrehte. „Du bist ein Genie, mein Freund!" Der Celoner starrte ihn an und murmelte etwas Unverständliches. Es war sicher nicht freundlich gemeint. Kopfschüttelnd verließ er das Archiv.
Sogtans Aufgabe als Assistent des Strategischen Planungskommandos bestand in der Dokumentation und Auswertung gesellschaftlicher Veränderungen bei den Völkern von Myrrein. Darunter fiel zum Beispiel das Sammeln von Informationen über das Wachstum und die Migrationsströme von Planetenbevölkerungen oder ihre Expansion in andere Sonnensysteme - eine statistische Tätigkeit. Sogtans Berichte, die er regelmäßig jede Woche vorlegte, bildeten eine von vielen Entscheidungsgrundlagen für den Planungsstab, wie auf den Geburtenrückgang auf jener Welt oder die versiegenden Ressourcen auf einer anderen zu reagieren war. Die entsprechenden Vorkehrungen wurden dann vom Oberkommando
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