2154 - Größer als das Leben
hinteren Bildschirm und wieder seinen Freund. Er ging an ihm vorbei zum Ausgang. „Du hast Recht. Entschuldige mich bitte."
Er trat auf den Hof hinaus und nahm den Anblick mit wachsendem Stolz in sich auf. Neben Torrjans kleinerem Gleiter stand mit ausgefahrener Rampe das riesige Beiboot des Inquisitors. Die Priester, die den Hof gewöhnlich als Schlafplatz benutzten, musterten die beiden Schiffe und Sogtan aus glänzenden Augen. Sie waren von den Aufsehern an den Rand des Platzes gedrängt worden, hinter die Barriere eines Energieschirms, und wirkten erschöpft und deprimiert, doch die Neugier hatte sie nicht verlassen. Beim Schiff des Inquisitors tat sich nichts, aber die Unruhe der Anwesenden steigerte sich zusehends. Alle waren von banger Erwartung erfüllt - auch Sogtan. Also setzte er sich in Bewegung.
Es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, bis er die Rampe des Beiboots erreichte und, den Blick zu Boden gerichtet, in die Dunkelheit hinaufging. Als er das obere Ende der Rampe erreichte, spürte er eine Präsenz um sich herum. Der Inquisitor! Er wusste: Wenn er jetzt nach oben sah, nur ein einziges Mal einen Blick wagte, war das sein Todesurteil. Niemand durfte einen Inquisitor schauen! Er empfand seine Gegenwart ... Aber er empfand sie wie einen Fluch. „Ich gratuliere dir, Sogtan Kapellme", dröhnte eine Stimme. Sie war so mächtig, so voluminös, dass sie unmöglich auf das Beiboot beschränkt sein konnte. Er hatte den Eindruck, dass sie auf dem ganzen Planeten zu hören war. „Du hast Großartiges geleistet und die Ferne Provinz Myrrein für das Reich Tradom bewahrt. Ohne dich hätten wir vielleicht zu spät von der Existenz der Myrrischen Religion erfahren. Dafür danken wir dir!"
Sogtan schluckte. „Ich habe nur meine Pflicht getan, Inquisitor."
„Das stimmt." Etwas wie Erheiterung klang in der Stimme mit. „Trotzdem wollten wir den jungen Cy'Valenter, der unseren Feldzug vor einem Rückschlag bewahrte, persönlich in Augenschein nehmen." Sogtan erschrak. Er spürte, wie etwas ihn gleichsam durchleuchtete, wie sein Innerstes nach außen gekehrt wurde. Er wollte die Ursache dieses Gefühls finden, doch das hätte bedeutet, die Augen zu öffnen. Er hielt sie lieber krampfhaft geschlossen. „Wisse, dass wir uns noch viel von dir erhoffen", dröhnte die Stimme erneut. „Ich bin euch treu ergeben."
„Den Beweis hast du erbracht. Und von heute an sollst du Oberbefehlshaber der Truppen in Myrrein sein - ein Befehlshaber, dessen Wort ausschließlich von den Konquestoren des Reiches und uns überboten wird!" Dann war es vorbei. Der Eindruck, durchleuchtet zu werden, wich ebenso schnell wie die Präsenz des Inquisitors. Sogtan fühlte sich wieder frei. Er stand allein am oberen Ende der Rampe.
Als der neue Oberbefehlshaber zaghaft die Augen öffnete, sah er matte Dunkelheit ringsum, die schemenhaften Umrisse von technischen Geräten, wie man sie an Bord eines Raumschiffs erwarten konnte. Weit und breit nicht die Spur eines Lebewesens. Kann das wahr sein?, dachte er. Bin ich jetzt wirklich Oberbefehlshaber der Truppen in Myrrein? Verwirrt ging er die Rampe hinunter. Als er ins Freie trat, wurde seine Verwirrung zu Entsetzen.
Die Energiebarrieren, hinter denen die Keum-Priester sich aufgehalten hatten, waren verschwunden. Die Aufseher hielten die Priester nicht mehr in Schach. Sämtliche Wesen auf dem Platz, die Bahaler und seine eigenen Leute, alles junge E'Valenter, lagen wie von einer namenlosen Qual heimgesucht verkrümmt am Boden ... Sie hatten sich in Leichen verwandelt. Sogtan stockte der Atem. Wie kann das sein? Was ist geschehen? Nun hatte die Verheißung des Namens, den sie dieser Welt gegeben hatten, sich doch noch erfüllt: Keumsarg. Wir hätten sie auch Valentersarg nennen können.
10.
Bruderhass Schon am nächsten Tag wurde auf der TRAFIE ein pompöser Festakt begangen, bei dem das Strategische Planungskommando den kometengleich aufgestiegenen Cy'Valenter mit Würden in sein neues Amt einsetzte. Auf ausdrücklichen Wunsch der Inquisition wurde die TRAFIE als mobiles Hauptquartier aufgegeben und Sogtan Kapellme auf ein gerade in Dienst gestelltes Schwesterschiff überstellt. Die Mitglieder des Planungsstabs kehrten bedrückt an Bord ihrer eigenen Schiffe zurück, die nun der KONQUESTORS STOLZ unterstanden, Sogtans Kommandoschiff. „Sogtan gewöhnte sich schnell an seine neue Position als Oberbefehlshaber. Wie viele befürchtet hatten, griff er hart durch. Seine erste Amtshandlung
Weitere Kostenlose Bücher